Text: Pia Sautter, Bilder: zur Verfügung gestellt von AIAS e.V. Konstanz, Layout: Leonie Thiel.
„Mund auf gegen Blutkrebs. Stäbchen rein, Spender sein.“
Den weißen Schriftzug auf dem Plakat der DKMS, der deutschen Organisation zur Registrierung von Stammzellspendern, hat sicher jeder schon einmal gesehen. Eine Zeit lang hing das Plakat an einem Zaun direkt vor der Rheinbrücke, das unzählige Studenten im Bus auf dem Weg zur Universität sehen müssten. Und auch ich bin mehrmals in der Woche daran vorbeigefahren. Registriert als Spender bin ich trotzdem noch nicht.
Ich bin nicht die Einzige. Schwammiges Halbwissen sowie der Umstand, dass Krebs kein Thema ist, mit dem sich Menschen gerne befassen, sind Gründe, weshalb viele noch keine potentiellen Spender sind. Helen Schlegel ist Mitglied der Hochschulgruppe AIAS Konstanz e.V., die dem entgegenwirken möchte. Die Studierenden sagen Blutkrebs den Kampf an, indem sie über die Krankheit und die Stammzellenspende aufklären. Helen erzählt: „Wir haben immer mal wieder einen Stand im Foyer, veranstalten Waffelverkäufe, machen auf den World Blood Cancer Day aufmerksam und möchten so über dieses wichtige Thema informieren.“ Highlight sei die Organisation einer Registrierungsaktion an der Universität, die jährlich in der Vorweihnachtszeit stattfindet.
„Studierende sind eigentlich die perfekte Zielgruppe. Hier findet man viele junge, gesunde und engagierte Menschen–eben die perfekten Spender.“
Blutkrebspatienten benötigen die Spende, weil die normale Blutbildung im Knochenmark durch die sich unkontrolliert vermehrenden, bösartigen Blutzellen verhindert wird. Bevor sie die Spende gesunder Zellen erhalten, muss das kranke Knochenmark durch starke Chemotherapie zerstört werden. Dann erhalten sie die Stammzellen des Spenders durch eine Transfusion. Diese bilden nun ständig neue, gesunde Blutzellen. Dem Patienten kann so das Leben gerettet werden. In Anbetracht dieser Tatsache ist der erste Schritt zum Spendersein lächerlich einfach. Der Spruch auf dem Plakat ist nicht untertrieben. „Stäbchen rein, Spender sein“: Tatsächlich passiert bei der Typisierung nicht mehr als das. Mit Wattestäbchen werden Abstriche der Mundschleimhaut gemacht. Das geht jederzeit auch ganz bequem Zuhause, das Registrierungsset kann man auf der Website der DKMS bestellen. Mithilfe der Probe kann die Oberflächenstruktur der Zellen untersucht werden. Diese Strukturen nennt man HLA-Merkmale. Da diese in über 10 000 Ausprägungen existieren, sind die Kombinationsmöglichkeiten unglaublich groß. Die Chancen, dass jemand gefunden wird, dessen Gewebemerkmale mit denen des Patienten übereinstimmen, ist daher sehr klein. Vor allem deswegen ist es wichtig, dass sich so viele Menschen wie möglich registrieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass man einmal Spender wird, liegt tatsächlich nur bei 0,1 bis 1,5 Prozent.
Sollte der Fall eintreten, dass man als genetischer Zwilling eines Patienten identifiziert wird, wird man von der DKMS kontaktiert und nochmals gefragt, ob man zu einer Spende bereit wäre. Eine Woche vor dem Termin muss sich der Spender in regelmäßigen Abständen ein Medikament spritzen, das eine starke Stammzellenvermehrung bewirkt. Durch die Anstrengung des Körpers können grippeähnliche Symptome auftreten. Daraufhin geht es ins Krankenhaus. Dabei übernimmt die DKMS Anreise-, und Verpflegungskosten sowie die Kosten für die Unterbringung in einem Hotel. Helen erzählt von einem ehemaligen Spender, der ebenfalls in der Hochschulgruppe ist. Die Spende konnte sogar im Umkreis von Konstanz erfolgen, ganz ohne unangenehme Nebenwirkungen, dafür mit kostenlosem Essen.
Die Entnahme kann auf zwei verschiedene Weisen erfolgen: In 80 Prozent der Fälle wird der Spender an ein Dialyse-Gerät angeschlossen. Das Blut wird circa fünf Stunden lang gefiltert und die überschüssigen Stammzellen werden in einem Beutel gesammelt. Die andere Art erfolgt durch eine Operation, bei der Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen wird. Dabei werden zwei kleine Schnitte gemacht, die am Ende lediglich mit Pflastern versehen werden müssen. Nach der Spende darf man das Geschlecht, das Alter und die Herkunft des Empfängers erfahren und bekommt auf Anfrage nach ein paar Monaten Bescheid, ob der Eingriff bei dem Patienten erfolgreich war.
Der zeitliche, finanzielle und organisatorische Aufwand, sowohl bei der Typisierung, als auch bei der Spende, ist also überraschend gering, wenn man berücksichtigt, wie groß dagegen die Wirkung ist. Die Registrierung steht bei mir jetzt also fest auf meiner To-do-Liste für die Post-Prüfungszeit. Ich habe zwar schon vor Blutabnahmen panische Angst, aber was sind schon ein paar unangenehme Stunden für ein Menschenleben?