Loading

Bernburg|750 1278-2028 • 750 Jahre Stadtrecht

Zur Geschichte der Überlieferung einer Abschrift der verlorenen ältesten Bernburger Stadtrechtsurkunde

Von Olaf Böhlk

Dieses Bild zeigt die älteste erhaltene Ansicht der erst wenige Jahre zuvor aus Alt- und Neustadt zusammengeschlossenen Bernburger Talstadt auf dem Epitaphgemälde der Fürstin Agnes von Barby (Lucas Cranach d. J., um 1570) in der Schloss- und Klosterkirche Nienburg.

Unter: "DAS VERSCHWUNDENE SCHLOSS" kann man mehr über das rätselhafte Fehlen des Schlosses Bernburg auf diesem Gemälde erfahren.

Im "Cranach Digital Archive" ist das gesamte Gemälde in hoher Auflösung sichtbar.

Bis zu ihrer Vereinigung im Jahr 1561 bestanden im Bernburger Saaletal zwei voneinander völlig unabhängige Gemeinwesen.

Die Altstadt mit dem Marktplatz, dem Altstädter Rathaus und der Marienkirche…
…und die Neustadt mit ihrem Straßenmarkt an der Nikolaikirche und dem ihr gegenüber gelegenen Neustädter Rathaus.

Auf dieser historischen Abbildung von L. Greiner sieht man das ältere Altstädter Rathaus. Es brannte 1850 ab. Vermutlich ging spätestens hierbei das Original der Stadtrechtsurkunde von 1278 für immer verloren.

Aufgrund des Textes der Urkunde des Jahres 1278 kann Bernburg auf die früheste Erwähnung eines Ratskollegiums im ehemaligen Land Anhalt (Bernburg 1278, Zerbst 1285, Köthen und Dessau 1323, Sandersleben 1386, Raguhn 1395 und Harzgerode 1401) verweisen. (Struck 1941, S. 380)

„…von berufener Seite […] aufgefunden…“

Hans Peper teilte in seiner im Jahr 1938 aus Anlass der 800-Jahrfeier erschienenen Stadtchronik nur lapidar mit „daß die Gründungsurkunde von 1278 erst kürzlich von berufener Seite im Staatsarchiv zu Dresden aufgefunden ist“. Er zitierte umfangreiche Passagen aus der Quelle und nannte das dort enthaltene Datum „21. September 1278“, ohne jedoch Hinweise auf die wichtige Archiv-Signatur oder den Finder zu geben. Es war daher seither nicht möglich, die Abschrift im Dresdener Archiv zu lokalisieren. Der genaue (lateinische) Wortlaut der Urkunde und die Überlieferungsumstände der Abschrift blieben zunächst unbekannt.

In seiner bekannten im Jahr 1961 zur 1000-Jahrfeier Bernburgs herausgegebenen Schrift: „Wann tritt Bernburg in das Licht der Geschichte“ geht Franz Stieler folglich nicht auf die Stadtrechtsurkunde des Jahres 1278 ein. Offenbar hatte er keinen Zugang zu der Quelle, da ihm die Archiv-Signatur der von Peper genannten Urkunde unbekannt war. Da Pepers Stadtchronik keine Quellenangaben enthielt, ist sie als Basis für die wissenschaftliche Forschung weitgehend unbrauchbar.

In Vorbereitung eines Aufsatzes arbeitete ich im Jahr 2012 Teile des Nachlasses meines verstorbenen Großvaters Walter Böhlk durch. Einige Dokumente rettete er aus dem Altpapier, welches von einem befreundeten Altstoffhändler auf historisches Material hin durchgesehen wurde. Darunter fand sich eine anonyme Transkription von Aktenmaterial, welches auch die Abschriften der Bernburg Stadtrechtsurkunden von 1278 und 1311 enthielt, inklusive der bisher fehlenden Archiv-Signatur. Ich veröffentliche die Fundstelle in meinem im Jahr 2012 erschienenen Aufsatz „Warum entstand die Stadt Bernburg“ (S. 120, FN 79), um die Abschrift der ältesten Bernburger Stadtrechtsurkunde der Forschung wieder zugänglich zu machen.

Archiv-Signatur der Abschrift der ältesten Bernburger Stadtrechtsurkunde: Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 7404/05, Erstes Buch, der Stadt Privileg über die Niederlage- und Stapelgerechtigkeit, item der Rat zu Leipzig contra den Rat zu Weißenfels wegen eines Jahr-, Vieh- und Rossmarktes, 1605 – 1669, Bl. 107 – 108

Aufgrund der Planung zur Eröffnung einer Ausstellung zum Magdeburger Recht am 17.03.2023 sah ich erneut einige lose verstreute Schriftstücke aus der Sammlung meines Großvaters durch und fand dort den Entwurf eines Anschreibens, welches ein Licht auf Vorgänge rund um die Wiederauffindung der Abschrift der ältestem Bernburger Stadtrechtsurkunde kurz vor dem Jahr 1938 erhellt. Leider nannte der Autor dieser Zeilen auch hier seinen Namen nicht.

Der anonyme Schreiber teilte mit, dass er die stadtgeschichtlich höchst bedeutsamen Abschriften fand, als er im Hauptstaatsarchiv Dresden nach Material zur Geschichte der Saale- und Elbschifffahrt suchte, um einen „Festartikel“ zur Eröffnungsfeier des neuen Bernburger Schleusenbaus zu verfassen. Leider kam es wohl nicht zu der angekündigten Veröffentlichung seiner Entdeckung in einer Fachzeitschrift. Aber die dem Adressaten des Briefes vorgelegten Fotokopien hatten offenbar Konsequenzen. Es ist zu vermuten, dass es diese Kopien waren, aus denen Peper in seiner Stadtchronik zitieren konnte. Möglicherweise kann das Rätsel, um wen es sich bei dem unbekannten Finder gehandelt hat, durch Handschriftenvergleiche gelöst werden. Die spannende Geschichte, rund um die verschollene älteste Bernburger Stadtrechtsurkunde, ist also noch nicht zu Ende…

Update 18.03.2023

Aufgrund meiner Anregung vom 17.03.2023 wurde der im Datenbestand des Hauptstaatsarchivs Dresden bisher unter dem Titel „[…] der Stadt Leipzig Privileg über die Niederlage- und Stapelgerechtigkeit, item der Rat zu Leipzig contra den Rat zu Weißenfels wegen eines Jahr-, Vieh- und Rossmarktes“ geführte Katalogeintrag um den Zusatz „Enthält auch: Urkundenabschriften zum Stadtrecht von Bernburg, 1278, 1311 und 1330 (Bl. 107a-109b)“ ergänzt. Somit wird es zukünftig möglich, die Abschriften der ältesten Bernburger Stadtrechtsurkunden im digitalen Katalog des Hauptstaatsarchivs Dresden eindeutig zu lokalisieren.

Alle Reproduktionen: CC BY 3.0 D

Fortsetzung folgt…

Created By
Olaf Böhlk
Appreciate