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Stabübergabe im ANQ Der Neue und der BisHERIGE ANq-PRäsident: Josef Müller und Thomas Straubhaar

Das Interview zum Präsidentenwechsel

Thomas Straubhaar und Josef Müller, Anfang 2023 haben Sie sich an der Spitze des ANQ abgelöst. Welche Themen standen bei der Stabübergabe im Vordergrund?

Thomas Straubhaar: Wichtig war mir bei der Übergabe, einen Überblick über die zentralen Themen zu vermitteln, vor allem über die neu erarbeitete ANQ-Strategie und die anstehenden Arbeiten. Der ANQ-Vorstand funktioniert anders als viele Vorstände sonst. Jedes Vorstandsmitglied wird von einer ANQ-Mitgliederorganisation als Interessenvertretung delegiert. In dieser Konstellation hat auch der ANQ-Präsident eine etwas andere Rolle. Beim ANQ hat er häufig die Aufgabe eines Moderators, der die Konsensfindung anstösst und begleitet.

Josef Müller: Ja, der ANQ-Präsident agiert wie ein Dirigent, der die verschiedenen Player und ihre unterschiedlichen Interessen zusammenbringt. Da ich bereits im Mai 2022 gewählt wurde, konnte ich in der Folge an den Vorstandssitzungen als Beobachter teilnehmen. Damit war der Übergang fliessend. Für mich war es in einem ersten Schritt zentral, ein Gesamtbild über die wichtigsten Ziele, Herausforderungen und möglichen Friktionen zu erhalten. Die detaillierten Fragestellungen rücken nun in einem zweiten Schritt in den Fokus. Die Übergabe durch Thomas und die Einarbeitung hat sehr gut geklappt. Ich freue mich auf das, was kommt.

Im Gespräch: Thomas Straubhaar, ANQ-Geschäftsleitung Petra Busch und Josef Müller (rechtes Bild, v.l.n.r.) sowie Regula Heller, Leiterin Akutsomatik und Stv. Geschäftsleitung, mit Josef Müller (linkes Bild).

Was motivierte Sie beide, sich für das ANQ-Präsidium zur Verfügung zu stellen?

Thomas Straubhaar: Ich übernahm das Präsidium im Zuge der Gründung des ANQ im Jahr 2009. Die Aufbauphase war ziemlich intensiv. Dank der professionellen Arbeit der Geschäftsstelle nahm die Belastung in den folgenden Jahren ab. Die Gründung des ANQ geht auf das Krankenversicherungsgesetz zurück, das seit 1996 Massnahmen zur Qualitätssicherung vorschreibt. Zusammen mit den Kantonen Zürich, Aargau, Solothurn und Bern wurde entschieden, einen gemeinsamen Verein zu gründen, um sinnvolle und einheitliche Qualitätsmessungen schweizweit zu etablieren – dies aus der Überzeugung heraus, dass die Branche bessere Lösungen findet als der Bund.

Josef Müller: Ich bin ein Macher. Es ist mir wichtig, etwas zu bewegen. Deshalb engagierte ich mich auch jahrelang nebenberuflich in verschiedenen Vorständen im Gesundheitswesen. Mit Blick auf meinen 60. Geburtstag und auch aufgrund von Amtszeitbeschränkungen gab ich schliesslich einige Ämter in strategischen Organen ab. Anfang 2022 wurde ich dann für das ANQ-Präsidium angefragt. Es hat mich immer gereizt, eine national tätige Organisation zu leiten. Der ANQ ist ein einzigartiges Konstrukt. Was er erreicht hat, ist einmalig. Deshalb habe ich zugesagt. Als Vorstand war ich bisher vor allem in den Bereichen Bildung und Finanzierung aktiv. Jetzt bin ich sehr motiviert, mich auch für die Qualitätsentwicklung zu engagieren und den nächsten Schritt mit dem ANQ zu machen.

Josef Müller, gab es etwas, das Sie in der Einarbeitungszeit speziell beeindruckt hat?

Die Mitarbeitenden an der ANQ-Geschäftsstelle haben mich mit ihrem grossen Fachwissen, ihrem Engagement und ihrer Freude an der Arbeit sehr beeindruckt. Ich finde, wir können diese Stärken noch mehr nach aussen tragen. Ihre ausgezeichnete Arbeit soll auch ausserhalb der ANQ-Gremien wahrgenommen werden und die verdiente Anerkennung finden.

Und mit welchen Zielen traten Sie Ihr neues Amt an?

Zur Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben rund um die Qualitätsentwicklung sollten wir wenn immer möglich Bestehendes nutzen und weiterentwickeln – und Parallelstrukturen und Doppelspurigkeiten vermeiden. Für mich steht die Stärkung des ANQ und seine Positionierung und Sichtbarmachung im Bereich Qualitätsmessung und Qualitätsverbesserung im Vordergrund. Im Endeffekt geht es ja immer um die Sicherstellung einer qualitativ hochstehenden, finanzierbaren Patientenversorgung. Der ANQ kann einen wichtigen Beitrag leisten. Dafür muss er so aufgestellt sein, dass er seine Ziele schneller erreichen kann. Deshalb sind wir zurzeit daran, Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der strategischen und der operativen Ebene sowie der Fachgremien klarer zu regeln. Wenn sich alle Beteiligten in einem vorgegebenen Rahmen bewegen, sind die Entscheidungswege kürzer und die Umsetzung erfolgt effizienter. Was für mich ebenfalls Priorität hat: Bei der Weiterentwicklung der Messungen müssen wir nicht nur den Nutzen für die Stakeholder, sondern auch den Aufwand der Spitäler und Kliniken im Fokus haben.

Thomas Straubhaar: Das ist umso wichtiger, als die administrativen Aufgaben in den letzten Jahren allgemein enorm gestiegen sind. Die Spitäler und Kliniken müssen heute im Auftrag von unterschiedlichen Stellen eine Unmenge an Daten erfassen. Die vielen, zum Teil kleinkarierten Vorgaben sind ein Problem. Insgesamt verfügen wir über zu viele Daten. Daten, die sich nicht sinnvoll nutzen lassen, weil sie unterschiedlich erfasst, zu wenig vergleichbar und zu wenig vernetzt sind. Für die Qualitätsentwicklung bedeutet das: Wir müssen dafür sorgen, dass die erhobenen Daten optimal für Verbesserungen nutzbar sind. Das ist ja auch genau das, was der Bund verlangt. Dabei muss der gesamte Patientenpfad im Fokus sein. Je mehr sich die Medizin spezialisiert, desto wichtiger werden bereichsübergreifende (vernetzte) Prozesse. Ich denke nicht, dass es in Zukunft neue spezifische Qualitätsmessungen geben wird. Vielmehr gehe ich davon aus, dass wir künftig mit den bereits vorhandenen Daten arbeiten und diese vernetzt ausgewertet werden.

2022 hat der ANQ-Vorstand die Strategie 2023–2028 zuhanden der Mitgliederversammlung verabschiedet. Welche Schwerpunkte setzt die neue Strategie?

Thomas Straubhaar: Die Strategie ist auf die Vorgaben und Zielsetzungen des Bundes ausgerichtet. Dabei baut sie auf dem Bestehenden auf und setzt die eingeschlagene Richtung fort. Der ANQ will mit seinen Leistungen die intendierte Entwicklung vorantreiben und die Spitäler und Kliniken dazu befähigen, auf der Basis von Messdaten Verbesserungsmassnahmen zu initialisieren.

Was braucht es, um die Strategie erfolgreich umzusetzen?

Josef Müller: Alle Stakeholder müssen die ANQ-Strategie mittragen, damit die nötigen Massnahmen und Aktivitäten realisiert werden können. Ziel ist, dass von den Mitgliederorganisationen bis zu den Spitälern und Kliniken sowie den Patientinnen und Patienten alle von der Arbeit des ANQ profitieren. Zentral finde ich auch die ganzheitliche Betrachtung – ambulant, teilstationär, stationär. Der ANQ ist mit den entsprechenden Pilotprojekten auf gutem Weg.

Thomas Straubhaar: Es gibt einige Grossbaustellen auf Bundesebene, Stichwort einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen oder Tarifmodell. Diese Baustellen blockieren vieles. Auch der ANQ konnte in den letzten drei Jahren nicht so vorwärts machen, wie er wollte. Zum Glück sind die zentralen Weichen in Bezug auf die Qualitätsverträge und die neuen Aufgaben des ANQ jetzt gestellt.

Thomas Straubhaar, Sie waren 13 Jahre lang ANQ-Präsident. Auf welche Meilensteine blicken Sie speziell gerne zurück? Und was geben Sie dem ANQ mit auf den Weg?

Die Gründung des ANQ war ein Meilenstein, ebenso die Konzeption, Planung und Umsetzung der ersten national einheitlichen Qualitätsmessung. Aber der ANQ erlebte auch angespannte – finanziell angespannte – Zeiten und schaffte es, die Schwierigkeiten erfolgreich zu überwinden. Das war ebenfalls ein Meilenstein – und nur dank dem engen Miteinander der Mitglieder möglich. Gleichzeitig ist klar, dass sich eine Organisation wie der ANQ nie auf den Lorbeeren ausruhen darf. Das ist auch das Wichtigste, was ich mit auf den Weg geben möchte: Entwickelt euch laufend weiter! Schaut, was die Spitäler und Kliniken für die kontinuierliche Verbesserung ihrer Qualität benötigen und unterstützt sie entsprechend.

Josef Müller ist langjähriger CEO der Psychiatrischen Dienste Graubünden. Zuvor war er unter anderem Direktor eines Regionalspitals. Der Quereinsteiger – ursprünglich absolvierte er eine Lehre als Automechaniker – engagierte sich auf strategischer Ebene in verschiedenen Organisationen im Gesundheitswesen. Er war unter anderem 13 Jahre im Vorstand von H+ Die Spitäler der Schweiz, 10 Jahre Präsident von H+ Bildung und 14 Jahre Vize-Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Spitaldirektorinnen und Spitaldirektoren.

Thomas Straubhaar, lic. rer. pol., stand dem ANQ als Vertreter von H+ Die Spitäler der Schweiz seit seiner Gründung als Präsident vor. Der Ökonom und Interimsmanager ist ein ausgewiesener Kenner des Gesundheitswesens. Er war Geschäftsführer verschiedener Spitäler und Ärztenetzwerke. Aktuell ist er unter anderem Verwaltungsratspräsident des Spitals Bülach, Präsident des Spitalrats des Kantonsspitals Obwalden, Mitglied des Verwaltungsrats der Forel Klinik, Mitglied des Verwaltungsrats des Spitalzentrums Biel und Verwaltungsratspräsident des Airport Medical Centers (AMC).

Fotos: © Geri Krischker / ANQ