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Die Mannheimer Bläserphilharmonie in China 24. August bis 11. September 2019

Vom 24. August bis 11. September 2019 fand die China-Tournee der Mannheimer Bläserphilharmonie statt. Die 75 Musikerinnen und Musiker des Orchesters spielten in diesen zweieinhalb insgesamt neun Konzerte in chinesischen Metropolen. Dirigent des Orchesters war Miguel Ercolino, Solist beim Konzert für Bassposaune Hector Prieto Sanchez.

Auf dieser Seite dokumentieren wir dieses außergewöhnliche Ereignis und die besonderen Erlebnisse auf der Tournee. Die Einträge des Reisetagebuchs wurden für den Mannheimer Morgen verfasst. Sie erscheinen hier zum Teil inhaltlich etwas verändert und ergänzt.

Stationen der China-Tournee der Mannheimer Bläserphilharmonie

Tianjin

Konzertsaal in Tianjin

Reisetagebuch vom 24. August 2019

21 Stunden Aufregung

21 Stunden voller Aufregung – die Mannheimer Bläserphilharmonie ist nach einer ereignisreichen Reise in China gelandet. Die große Reise des Orchesters begann am vergangenen Donnerstag früh an Morgen – um 5.45 Uhr nämlich am Mannheimer Hauptbahnhof.

Zwei Orchestermitglieder brachten das Organisationsteam gleich zu Beginn für einen kurzen Moment zum Zittern, weil sie den geplanten ICE verpasst hatten. Nach kurzem Bangenund hektischen Telefongesprächen schafften es dann aber doch alle pünktlich zum Frankfurter Flughafen.

Zwei Stunden dauerte der Marathon des Eincheckens - bei nicht nur den Passagieren, sondern teilweise auch Instrumenten Sitzplätze zugewiesen wurden und auch das Sperrgepäck mit sehr großen Instrumenten sicher verpackt wurde. Dann überraschte das Trompetenregister Posaunistinund Geburtstagskind Juliane Hötzer mit einem kleinen Ständchen, das im Trubel am Flughafen auch vorbeieilende Menschen begeisterte.

Die Reise führte uns mit einem Zwischenstopp in Zürich nach Peking und von dort aus nach Tianjin, wo wir müde und dennoch mit großer Freude erste kulinarische und kulturelle Eindrucke auf uns wirken lassen durften.

Trotz des Jetlags und der schlaflosen Nacht im Flugzeug, geht es nun sofort los mit den ersten Proben und den letzten Vorbereitungen auf das ausverkaufte Premierenkonzert unserer Chinatournee.

Reisetagebuch vom 24. August 2019

Ausverkaufte Premiere

Wer Daumen und Zeigefinger kreuzt, bildet die chinesische Geste für ein Herz. Solche Herzchen durften wir vom begeisterten Publikum in Tianjin zu Hunderten empfangen. Die ersten sammelte unser Solist Hector Prieto Sanchez nach der Uraufführung des Bassposaunenkonzertes von Lucian Beschiu ein, das eigens für unsere Konzerttournee komponiert und ihm und der Bläserphilharmonie auf den Leib geschrieben wurde. Bei seiner Zugabe – spontan am Klavier begleitet von Trompeter Moritz Loewen – ließ er auch die echten Herzen des Publikums mit der Titelmelodie einer chinesischen Comic-Fernsehserie höher schlagen.

Vorfreude und Aufregung hatten bei uns den ganzen Tag für Herzklopfen gesorgt, denn das moderne, architektonisch und akustisch beeindruckende Konzerthaus war bei der Premiere unserer Tournee mit rund 1500 Zuhörern ausverkauft. Die Euphorie nach dem ersten erfolgreichen Konzert ist groß. So kann es weiter gehen. Und auch wir schicken viele Herzchen aus Tianjin nach Mannheim.

Peking

Die Verbotene Stadt in Peking

Reisetagebuch vom 26. August 2019:

Unerwarteter Besuch

Für unser zweites Konzert ging es nach Peking zur Konzerthalle der Verbotenen Stadt.

Kurz bevor wir die Hauptstadt erreichten, steuerten wir noch ein für Pekingente berühmtes Restaurant an. Wenn man in der Konzerthalle der Verbotenen Stadt spielt, bietet sich natürlich ein Besuch derselben an: Sehr beeindruckt haben uns die Palastgebäude, die riesigen Plätze und die wunderschön angelegten Gärten.

Auf eine unserer jüngsten Mitspielerinnen Hannah Kassner (Trompeterin und Schülerin des Ursulinengymnasiums) wartete vor dem Auftritt eine große Überraschung. Ihre Eltern waren uns bis nach Peking nachgereist, um die MBP bei einem ihrer Konzerte zu hören. Monatelang wurde diese Überraschung vorbereitet, alle waren eingeweiht, nur Hannah ahnte nichts. Unter dem Vorwand, zwei prominenten Konzertbesuchern Karten überreichen zu dürfen, wurde sie zum Eingang gelockt. Als sich die Prominenten als ihre Eltern entpuppten, konnte sie es kaum glauben. Die Freude war riesengroß und dennoch: Ein klein wenig Sorge, ob ihre Eltern uns nun wohl die komplette Reise begleiten würden, ließ sich nicht verleugnen, was diese jedoch sofort mit einem Augenzwinkern entkräfteten.

Für Hannah und ihre Familie aber auch die ganze MBP war das ein Konzert, das uns noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Reisetagebuch vom 26. August 2019:

Große Mauer im Nebel

Es heißt ja, man könne die chinesische Mauer als einziges menschliches Bauwerk vom Weltall aus sehen, doch als wir bei unserem heutigen Besuch direkt darauf standen, waren wegen des diesigen Wetters maximal die nächsten 500 Meter der rund 6500 Kilometer langen Befestigungsanlage sichtbar. Durch den dichten Nebel ließen sich unsere Musikerinnen und Musiker aber nicht den Spaß bei der Erkundung der weltberühmten und geschichtsträchtigen Sehenswürdigkeit nehmen.

Auf der Mauer wurde gestaunt, getanzt, es wurden steile Stufen hinauf geklettert, Wettrennen veranstaltet, Reiseführerwissen vorgetragen, unzählige Fotos geknipst und ziemlich gedrängelt – der von uns besuchte Mauerabschnitt in Mutianyu zählt zu den beliebtesten des Unesco Weltkulturerbes. Etwa 6 Kilometer sind für Touristen zugänglich und mit Seilbahnen oder zu Fuß vorbei an zahlreichen Souvenirständen zu erreichen.

Trotz des Trubels und des Nebels war der Besuch ein eindrucksvolles Erlebnis und mit Sicherheit ein touristisches Highlight unserer Reise. Außerdem ist das mit dem Weltall sowieso ein Mythos.

Reisetagebuch vom 28. August 2019:

Chinesisch-deutsche Orchesterproben

„Eins, zwei, sān, sì“ – Dirigent Miguel Ercolino zählt ein. Unser interkulturelles Orchester bestehend aus chinesischen Schülern und Musikern der Mannheimer Bläserphilharmonie spielt los. „Versucht, einheitlicher zu artikulieren.“ Miguel lässt zunächst den Rhythmus sprechen und probt dann mit den Trompeten den Auftakt eines kleinen Marschs, den die chinesischen Schüler mitgebracht haben. Unsere Dolmetscherin Sissi ist im Dauereinsatz und übersetzt die Anweisungen unseres Dirigenten ins Chinesische. Im Laufe der kurzen Probe klappt das Stück immer besser und unser chinesisch-deutsches Orchester beginnt zu klingen.

In den vergangenen zwei Tagen besuchten wir Schulen in den Pekinger Stadtteilen Furong, Tongzhou und Mizun. Die Begegnungen waren vom chinesischen Verband für sinfonische Blasorchester organisiert worden und hatten alle einen ähnlichen Ablauf: Zunächst hörten wir Darbietungen der Schulorchester, spielten danach Ausschnitte aus unserem eigenen Programm, abschließend wurde dann gemeinsam geprobt. Es gibt in unseren Reihen einige Musiklehrer, und nicht nur die gerieten ins Staunen angesichts der musikalischen Leistung der Schülerinnen und Schüler sowie der Ausstattung der Schulen. Die Mitspieler waren zwischen neun und zwölf Jahre alt, einige erlernten ihr Instrument sogar erst seit einem Schuljahr. Die spieltechnische und musikalische Qualität der jungen Orchester beeindruckte uns!

Solche Begegnungen sind ein wertvoller Teil unseres Tourneeprogramms, denn sie geben uns die Möglichkeit direkte Einblicke in das chinesische Alltagsleben und die chinesische Kultur zu gewinnen. Nach den vielfältigen Erlebnissen in Peking verabschieden wir uns nun von der Hauptstadt und fliegen weiter zu unserer nächsten Station nach Changsha.

Changsha

Reisetagebuch vom 29. August 2019:

Mao was here

Die dritte Station unserer China-Tournee ist die Stadt Changsha in der Provinz Hunan, rund zwei Flugstunden südlich von Peking. Reiseführer gezückt, schnell noch nachlesen, was denn die nächste Etappe so zu bieten hat. Der „Lonely Planet“, das 1200 Seiten starke Standardwerk auf unserer Reise, verliert nur wenige Zeilen über die 7-Millionen-Stadt Changsha. Mao Zedong, Gründer der Volksrepublik China und bis zu seinem Tod im Jahre 1976 Vorsitzender der kommunistischen Partei, hat in jungen Jahren in der Provinzhauptstadt unter anderem als Lehrer gearbeitet.

Auf dem Weg zu unserem vormittäglichen Ausflugsziel empfängt uns demgemäß eine riesige Mao-Statue. In der von uns besuchten, über 1000 Jahre alten Yuelu-Akademie kann man Maos Schlafzimmer besichtigen, im Shop gibt es Mao-Tassen und andere Devotionalien. Unser Mittagessen nehmen wir in einem nach Mao benannten Restaurant ein – an der Wand die Route des „langen Marschs“. Der Personenkult, der nach wie vor um den Staatsgründer betrieben wird, ist hier allgegenwärtig.

Der Reiseführer hätte übrigens noch ein paar weitere Worte zum Stadtbild verlieren können: Das futuristische Konzerthaus liegt am Ufer des Flusses Xiangjiang, mitten in einem Meer moderner Wolkenkratzer. In der Abendstimmung wirkt die Stadt wie eine Metropole aus einem Science-Fiction-Film. Glücklich nach einem erfolgreichen Konzert mit stehenden Ovationen verweilen wir ein wenig in dieser faszinierenden Umgebung. „Let’s go, let’s go“ – unser Orchester lässt sich erst durch die ungeduldigen Rufe des Busfahrers zum Aufbruch bewegen.

Zhongshan

Reisetagebuch vom 31. August 2019:

Mit dem Schnellzug nach Zhongshan

Am Freitag machten wir uns auf nach Zhongshan, dieses Mal nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem chinesischen Schnellzug. Eine besondere Herausforderung stellte dabei das Ein- und Aussteigen dar, denn um den Zugfahrplan einhalten zu können, wird den Reisenden dafür ein Zeitfenster von nur drei Minuten eingeräumt. Mit 70 Musikerinnen und Musikern, den dazugehörigen 70 Koffern sowie teilweise großen und sperrigen Instrumenten kann das schonmal knapp werden und erfordert eine gute Organisation. Die Fahrt war dagegen für uns alle sehr entspannt und wir bestaunten aus dem 310 km/h schnellen Zug die wunderschöne Landschaft mit ihren Bergen, Reisfeldern und Seen. Auch für das leibliche Wohl war gesorgt, wir verpflegten uns stilecht mit Instantnudelsuppen. Speziell für die Zubereitung dieser kleinen Gerichte sind Wasserspender mit heißem Wasser in den Wagons installiert.

Angekommen in Zhongshan ging es dann vom klimatisierten Zug heraus in die schwüle Hitze des Südens. Da an diesem Abend kein Konzert auf dem Plan stand, entschied sich ein Teil des Orchesters auf eine andere Weise musikalisch tätig zu werden: Karaoke! Spontan taten wir uns mit einer chinesischen Gruppe zusammen, die uns sehr gastfreundlich zu ihrer Karaoke-Party einlud. Besondere Begeisterung erntete unser Konzertmeister Sebastian Lastein, der sowohl die chinesischen als auch die amerikanischen Popsong höchst enthusiastisch präsentierte. Wir verbrachten einen ausgelassenen und unvergesslichen Abend und feierten bis in die frühen Morgenstunden.

Unser Konzert am nächsten Tag fand im Zhongshan Culture and Art Center statt. Begrüßt wurden wir dort von der überwältigenden Werbung für unseren Auftritt, auf einem riesigen Bildschirm an der Außenwand des Gebäudes wurden Ausschnitte aus der Konzert-DVD der MBP „Moderne Zeiten“ abgespielt. Auch hier spielten wir wieder für ein interessiertes und euphorisches Publikum, das uns erst nach der dritten Zugabe von der Bühne gehen ließ.

Foshan

Reisetagebuch vom 1. September 2019

Regenfälle in Foshan

Gestern vormittag ging es für uns mit dem Bus weiter nach Foshan. Die Stadt liegt ca. 75 Kilometer nördlich von Zhongsahn und beheimatet rund sieben Millionen Einwohner. Nach der Ankunft besichtigten wir zuerst den Foshan Tempel, welcher zu Ehren des Gottes des Nordens gebaut wurde. Kunstvolle Dachfirste, goldene Statuen, tanzende Figuren sowie Gebetsrituale mit Räucherstäbchen und Wunschtafeln spiegeln Facetten der chinesischen Kultur wider.

Aufgrund der extremen Hitze und Schwüle freuten wir uns nach der Besichtigung sehr auf das klimatisierte Hotel. Dort angekommen wurden wir von einem weiten Ausblick über einen großen Teil der Stadt überrascht. Mit seinen 46 Stockwerken bot uns das Gebäude eine perfekte Sicht auf die Skyline Foshans. Dass wir uns einige Meter über dem Boden befanden, spürten wir kurze Zeit später noch deutlicher, als ein heftiger Sturm aufzog. Der Himmel verdunkelte sich so stark, dass die vorher bestaunten Gebäude kaum noch sichtbar waren, der Wind pfiff durch das Gebäude, der Regen peitschen gegen dir Fenster. Bis zu unserer Anfahrt zum Konzert steigerte sich das Unwetter noch mehr. Der Straßenverkehr wurde durch große Pfützen verlangsamt, wir dagegen rannten nach dem Aussteigen – bepackt mit allen Instrumente – in das Konzerthaus, um nicht völlig durchnässt in der Anspielprobe zu sitzen.

Im Konzertsaal angekommen erwartete uns dann leider die eine oder andere nicht ganz so schöne Überraschung. Vor allem unsere Schlagzeuger hat es diesmal hart erwischt. Zum einen hätten sie sich den Sprint durch den Regen sparen können, an ihrem Platz tröpfelte es durch die Decke der Halle, zum anderen gab es ebenfalls Probleme mit den vorhandenen Instrumenten. Verwöhnt von der guten Ausstattung der anderen Konzerthäuser hatten wir nicht damit gerechnet hier nur eine Art Spielmannszug-Instrumentarium vorzufinden, wodurch unser Schlagwerker zu Kreativität angehalten war, um ein angemessenes klangliches Ergebnis zu erschaffen. Trotz aller Widrigkeiten war auch dieses Konzert ein voller Erfolg, dass uns mit Sicherheit in Erinnerung bleiben wird.

Shenzhen

Reisetagebuch vom 3. September 2019

Freier Tag in der Megastadt

Gestern fuhren wir direkt nach dem Frühstück von Foshan nach Shenzhen. Die Megacity mit rund zwölf Millionen Einwohnern ist eine moderne Metropole des Südosten Chinas und verbindet Hongkong mit dem Festland. Bekannt ist die Stadt außerdem für ihre vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten sowie ihre Architektur. Beeindruckende zeitgenössische Gebäude wie das 600 Meter hohe Pinang International Finance Center prägen das Stadtbild. Bevor wir hier unser sechstes Konzert spielen, haben wir hier einen freien Tag, den jeder selbst gestalten kann.

Da es demnach heute wenig vom gesamten Orchester zu berichten gibt, möchten wir einen kleinen Einblick in die Sicht unseres Dirigenten Miguel Ercolino auf die Tournee bieten. Hierfür haben wir gestern ein kurzes Interview geführt:

Für unseren musikalischen Leiter bringt die Konzertreise noch weitere Aufgaben mit sich als nur das Dirigieren. Bei jedem Konzertsaal führt er im Vorfeld eine Recherche bezüglich der Räumlichkeiten und den damit verbundenen akustischen Gegebenheiten durch. Die Bauweise eines Saals beeinflusst den Klang der darin gespielten Musik enorm. Wir müssen unser Programm also an jedem Ort anders klanglich integrieren, so Miguel. Neun Konzerte in einem relativ kurzen Zeitrahmen von knapp drei Wochen zu spielen ist eine unglaublich schöne Gelegenheit, denn so kann sich die Musik mehr und mehr entfalten. Gleichzeitig gilt es, die Stücke „frisch“ zu halten und weiterzuentwickeln. Dabei ist es wichtig, „empfindsam zu sein, für das was nötig ist, um in genau diesem Moment Musik entstehen zu lassen. Wir müssen aufmerksam und wach agieren, damit die Musik atmet und ein Stück lebendig werden kann.“ Das Ziel ist die freie musikalische Kommunikation zwischen Dirigent und Orchester sowie eine innere Geschlossenheit der Musizierenden. „Je mehr wir als Orchester eine Einheit bilden, desto kraftvoller ist die Sprache unserer Musik“.

Mit all diesen ambitionierten Zielen im Blick ist Miguel mit dem bisherigen Verlauf der Konzertreise sehr zufrieden: „Ich bin stolz auf die Musikerinnen und Musiker, dass sie die Herausforderungen annehmen und dieses anstrengende und schwere Programm spielen. Trotz Müdigkeit, langen Reisen, teilweise erschwerten Bedingungen – z. B. durch krankheitsbedingte Ausfälle – und eng getakteten Tagen geben sie alles, um eine erfolgreiche Tournee zu spielen.“

Reisetagebuch vom 4. September 2019

Mutige Musiker

Die Mannheimer Bläserphilharmonie ist nun schon seit 14 Tagen in China unterwegs. Mittlerweile haben wir Musiker die Tour-Routine verinnerlicht: Auf den Reisetag mit Zug, Bus oder Flugzeug folgt der Konzerttag. Manchmal stehen von unseren Begleitern organisierte Besichtigungen oder – wie in Peking – Begegnungen mit chinesischen Orchestern auf dem Programm. Doch es bieten sich auch Gelegenheiten, auf eigene Faust Entdeckungen im Gastland zu machen und so abseits der Gruppe für Abwechslung vom Tour-Alltag zu sorgen.

Die Sportler unter uns nutzen die liebevoll angelegten Parks in den Großstädten für morgendliche Jogging-Runden. Vor imposanter Hochhauskulisse läuft man vorbei an Seen, Pagoden und Bächen, durchquert Gärten und Bambus-Wäldchen. Diese Parks sind tagsüber voller Leben: Auf kleinen Plätzen üben sich Gruppen älterer Damen in Gymnastik. Ein paar Meter weiter singt ein Chor, Menschen tanzen, ein kleines Musikensemble probt mit traditionellen Instrumenten, andere üben mit Schwertern Tai-Chi-Bewegungsabläufe ein. Die schwüle Hitze im Süden Chinas macht uns bei den sportlichen Aktivitäten zu schaffen, doch das hält unsere Flötistin Anja Busch nicht davon ab, ein Zirkeltraining für unsere Musiker anzubieten. Eine willkommener Ausgleich auf unserer Tournee.

Andere gehen auf kulinarische Entdeckunsreise. Die Vielfalt ist grandios, und so langsam werden unsere Musiker mutiger: Der Hot Pot ist eine Spezialität in China, bei der verschiedene Zutaten in einem Topf Brühe gegart werden. Neben unbekannten Gemüsesorten und Tofu, landen bei dem ein oder anderen auch Hühnerfüße und sogar Schildkröte im Topf. Geschmacklich sei Schildkrötenfleisch gar nicht so abenteuerlich, wie es klingt, sagen die, die es probiert haben. Eher neutral.

Im Anschluss an die Konzerte starten manche Musiker ins Nachtleben. Gerade in der Boomtown Shenzhen bietet sich dazu reichlich Gelegenheit. Am Fuße des vierthöchsten Wolkenkratzers der Welt - dem Pingan International Financial Center - kann man in neuen und bestens ausgestatteten Clubs zu elektronischer Musik bis zum Morgen feiern. Der Schlaf lässt sich ja dann am folgenden Reisetag auf der siebenstündigen Zugreise zu unser siebten Station Fu’an nachholen.

Fuan

Reisetagebuch vom 5. September

Mit dabei auf der Tournee sind nicht nur das Orchester und unser Dirigent Miguel Ercolino, sondern auch der Komponist des Bassposaunenkonzertes Lucian Beschiu sowie der Solist für dieses Stück Hector Prieto Sanchez. Beide sind seit Jahren eng mit Miguel befreundet, wodurch sich die Gelegenheit ergab, dass Lucian speziell für die Mannheimer Bläserphilharmonie und den Solisten, anlässlich dieser Tournee ein dreisätziges Solokonzert schrieb. Ein Stück uraufzuführen ist etwas Besonderes, es dann gleich zehn Mal hintereinander zu spielen und den Komponisten persönlich dabei zu haben ist musikalisch eine spannende Situation. Um unsere Leser aus der Ferne ein wenig teilhaben zu lassen an der Arbeit, die an diesem Werk immer noch passiert, führten wir ein kleines Interview mit Lucian und Hector durch.

Ein Stück zu komponieren und es dann so oft hintereinander im Konzert und bei vielen Proben zu hören, ist eine tolle Möglichkeit für mich, so Lucian. „Ich merke erst jetzt auf der Tour, wie schwer mein Stück wirklich ist – schwerer als ich dachte.“ Es ist ein vielfältiges Werk, aufgebaut aus einer Sammlung an Motiven und Themen, die intensiv miteinander verknüpft sind, teilweise wiederkehren und den Sätzen untereinander eine innere Geschlossenheit verleihen. Durch den simultanen Verlauf vieler Motive, ist es eine Herausforderung für Zuhörer und Musiker die jeweiligen Prioritäten zu erkennen. Und auch für den Solisten ist es ein anspruchsvolles Werk: „ Du hast meinen Sommer zerstört, denn anstatt an den See zu gehen, musste ich dieses schwere Stück üben (lacht). Beide haben zusammen über einen Zeitraum von ungefähr eineinhalb Jahren an diesem Konzert gearbeitet. Lucian schickte Hector immer wieder Ausschnitte seiner Schaffensphase um auszuprobieren, wie sich verschiedene musikalische Möglichkeiten eigenen.

Auch im Verlauf der Tour arbeitet Lucian noch an einigen kompositorischen Aspekten und verändert kleinere Stellen im Stück. Gerade für ein nicht professionelles Orchester bedeutet das Werk aufgrund seiner Komplexität eine große Aufgabe, „aber ihr macht einen super Job, die Balance zwischen Orchester und Solist wächst immer mehr und es ist deutlich erkennbar, dass das Stück bei jedem Konzert noch besser wird.“

Beide betonten abschließend, wie sehr sie die Situation schätzen, das Werk mit der Mannheimer Bläserphilharmonie in China aufführen und weiterentwickeln zu können. „Ich bin sehr glücklich, diese Möglichkeit zu haben, die die MBP mir gibt. Miguel und Lucian sind mir sehr wichtig, deshalb macht es mich sehr glücklich mit ihnen zusammen zu arbeiten. Als Solist zu spielen ist eine große Herausforderung, der ich mich gerne stelle und dann noch im Land das ich am meisten liebe, ich könnte mir nicht mehr wünschen“, so Hector.

Lucian ergänzt abschließend: „Danke für diese Chance, danke an alle Musikerinnen und Musiker, danke dass ihr das Stück so spielt.“ Und diesen Dank können wir nur zurück geben, denn auch für uns ist die Arbeit am Stück und mit den beiden musikalisch sehr inspirierend.

FUZHOU

HANGSZHOU

Reisetagebuch vom 9. September 2019

Persönliche Highlights

Die Mannheimer Bläserphilharmonie ist inzwischen in ihrer letzten Station, Hangzhou, angekommen. Acht von neun Konzerten sind geschafft. Wenn dieser Artikel erscheint, sind wir schon auf dem Weg nach Shanghai, von wo aus unser Rückflug startet. Dies ist somit unser letzter Eintrag ins Reisetagebuch. Zeit für ein Resümee — wir haben unsere Musiker nach ihrem persönlichen Tournee-Moment gefragt:

„Der erste Akkord beim ersten Konzert vor ausverkauftem Haus in Tianjin. Da wurde mir bewusst, jetzt geht es richtig los.“ Anja Busch - Flötistin, Vorstandsmitglied und seit eineinhalb Jahren mit der Planung der Tournee betraut - beschreibt den Moment, in dem Vorfreude umschlägt in die echte Freude des Augenblicks. „Bei unserem dritten Konzert in Changsha hat einfach alles gepasst: der Saal, die Umgebung, die Energie auf der Bühne und die Leistung des Orchesters,“ antwortet Philipp Ohlig, Posaunist im Orchester, auf die Frage nach seinem eindrücklichsten Konzerterlebnis.

Von Begegnungen mit Einheimischen und spontaner Gastfreundschaft weiß unsere Fagottistin Anne Bischof zu berichten: „Wir wurden von Mönchen in Fu’an zum Essen eingeladen, nachdem wir an einem freien Vormittag eine Tempelanlage auf einem kleinen Berg besichtigt hatten.“ Fu‘an, unsere siebte Station, fiel aus der Reihe, weil sie keine moderne Millionenstadt ist, sondern in einer eher ländlichen Gegend liegt. Der Großteil des dortigen Publikums, habe noch nie ein klassisches Orchester gehört, erklärte uns unser chinesischer Begleiter Dahai. Schön, dass auch eine solche, eher kleine Stadt auf unserer Route lag.

Klarinettistin Annalena Joos fasst zusammen: „So viele eindrucksvolle Erlebnisse, so viele Kontraste zwischen Traditionellem und Moderne; auch so viele tolle Momente in der Gruppe. Es gibt nicht den einen Tournee-Moment, das persönliche Highlight, sondern unzählige.“

Unser Dank gilt all denen, die uns durch finanzielle Hilfe und durch Rat bei der Planung und Durchführung unterstützt haben. „Die Tournee ist sehr wertvoll und wichtig für unser Orchester.“ erläutert Benjamin Grän, der Vorsitzende der MBP. „Die Bläserphilharmonie ist in diesen zweieinhalb Wochen musikalisch gewachsen. Auch der Zusammenhalt wird durch eine solche Tournee gestärkt. Das wird noch lange wirken. Wir freuen uns auf die nächsten Aufgaben!“