Es ist eine heilsame Ruhe und Weite, die einen empfängt, wenn man – aus der trubeligen Hauptstadt kommend – in Thyrow aus dem Regionalexpress aussteigt, sich aufs Fahrrad setzt und Richtung Märkisch Wilmersdorf fährt. Es sind nur 50 km bis ins Zentrum von Berlin und doch scheint hier der Stress, die Hektik und der Lärm der Großstadt unendlich weit weg. Die Straße nach Märkisch Wilmersdorf, einem Ortsteil der Stadt Trebbin, ist nur mäßig befahren, rechts und links stehen Getreidefelder und am Straßenrand bunte Kornblumen und knallroter Klatschmohn. Ein idyllischer Anblick.
„Ich muss leider immer Leuten, die sich neu anmelden, sagen: Wenn Sie das hässlichste Haus von vorne gesehen haben, dann sind Sie richtig. Ich muss die Meisten erst ermutigen.“
Dr. Gisella Kottwitz
„Ja, ich bin die "Urgroßmutter" des Hofs, mit allem Für und Wider was Großmütter so an sich haben, nämlich dass ich ja auch meine Grenzen habe. Aber zu meiner eigenen Überraschung, weil ich so motiviert bin, entwickle ich Kräfte, über die ich selber staunen muss!“
Dr. Gisela Kottwitz
„Also diese Idee gab es schon viele Jahre, bevor es sich irgendwie realisieren ließ. Dass es ein Hof werden sollte, war nicht von vornherein klar. Es war einfach die Vorstellung, ein Haus zu haben, wo man gemeinsam was entwickelt. Und als dann die Wende kam, dachte ich, also jetzt oder nie. Hier muss es ja noch irgendwas geben im Umland von Berlin.“
Dr. Gisela Kottwitz
Schon lange trug die psychologische Psychotherapeutin die Sehnsucht nach einem Leben in Gemeinschaft in sich. Und neben der Gemeinschaft wurde für Gisela Kottwitz der Wunsch nach Stille und einem Raum für die Begegnung mit Gott immer wichtiger. Hier, auf diesem maroden Hof in Märkisch Wilmersdorf sah sie dann die Möglichkeit ihren Traum von einem christlichen Wohnprojekt Realität werden zu lassen.
Heute gehört der Hof dem Verein „Achor e.V.“. Ein besonderer Schwerpunkt ist nach der Satzung des Vereins die Bildungsarbeit – gerade die jungen Menschen liegen dem Verein am Herzen. Deswegen arbeiten sie zum Beispiel eng mit Schulen zusammen.
„Auf eine gewisse Art ist der Achorhof ein christliches Gästehaus, das "Ora et Labora" anbietet. Ganz wunderbar war die Erfahrung mit der Liebfrauen-Schule!"
Claudia Paulin
Die Jugend ist auch ein Herzensanliegen von Claudia Paulin. Sie lebt auf den Achorhof und treibt die Sorge um "das gemeinsame Haus“ um, wie Papst Franziskus die Erde in seiner Umweltenzyklika beschreibt. Sie möchte jungen Menschen eine Perspektive bieten und merkt natürlich auch, dass sich die Jugend längst selbst Gedanken um eine lebenswerte Zukunft macht. Stichwort: Fridays for Future!
„Da geht es eigentlich auch um die Sorge für das "gemeinsame Haus". Die merken alle, wir wohnen alle auf einer Welt, jeder ist da geboren, mit dem gleichen Recht! Und das Anliegen ist eben, dass das gesamte Haus, also die gesamte Welt wieder gut wird, also auch von der Klimapolitik her. Aber mir geht’s natürlich auch vor allem um die Sorge für die Herzen, weil wir Menschen das tun, was wir in den Herzen tragen. Und dafür ist der Achorhof als Haus der Stille ein Ort, an dem man wieder zu dem Traum finden kann, den Gott durch einen geben möchte.“
Claudia Paulin
Die Scheune ist momentan eines der größten Bauprojekte des Achorhofs. Sie ist stark sanierungsbedürftig und soll mit Hilfe von Spenden in den nächsten Jahren Stück für Stück in Stand gesetzt werden. Der ehemalige Pferdestall wurde bereits saniert und beherbergt heute die Kapelle und zwei kleine Ferienwohnungen. Außerdem wurde der hintere Teil des Vorderhauses saniert und ausgebaut, sodass es dort neben dem Raum der Stille und einer Küche, drei Gästezimmer gibt.
Seit Mai diesen Jahres lebt auch Gaston mit auf dem Hof. Nach seiner Haftstrafe lebte er für einige Jahre in einer Wohngemeinschaft des Jesuitenpaters Christian Hervartz in Berlin-Kreuzberg. Doch dieses Leben wurde ihm in den letzten Jahren zu eng. Er suchte nach einer spirituellen Gemeinschaft auf dem Land.
„Dass ich jetzt hier lebe, ist Teil einer Vision, die sich im Laufe der letzten acht Jahren entwickelt hat. Ich möchte Teil einer spirituellen Gemeinschaft und auch eines Projekts sein, wo ich mitwirken kann. Ich glaube es erfüllt mich, innerlich wachsen zu können, aber auch zusammen mit diesem Hof. Hier kann ganz viel wachsen, weil hier so viel Potential ist.“
Dass dieser Hof ganz viel Potential hat, davon ist auch Miriam Bondy überzeugt. Regelmäßig kommt die Musikpädagogin aus Berlin hierher, um Ruhe für ihren Alltag zu finden und um die Natur zu genießen.
"Es ist schon die Weite, die Natur und der Geist Gottes, der mich hier bewegt. Und auch die Menschen, die hierher kommen. Es ist eben ein Hof, wo immer wieder Menschen landen, sei es dass es jetzt zufällige Spaziergänger sind oder Gruppen, die sich hier angemeldet haben oder einzelne Gäste. Und es ist wirklich ein Hof, wo Gastfreundschaft gelebt und gepflegt wird.“
Miriam Bondy
Dass diese Gastfreundschaft auch konkret gelebt werden kann, dafür müssen alle mit anpacken. Das weiß auch Miriam Bondy. Sie hilft gerne in der Küche oder bringt sich mit ihrem musikalischen Talent in den Gottesdiensten ein. Die Atmosphäre auf dem Achorhof ist das Produkt von den Talenten vieler Menschen.
„Wenn man hier ein bisschen länger Zeit verbringt, dann merkt man, dass es ein Geflecht ist, wo ganz viele Menschen mit beteiligt sind. Jeder bringt sich mit dem ein, was er kann und das ist spannend. Aber es zieht auch Menschen an und ich find's einfach total schön hier.“
Miriam Bondy
Dass es Menschen auf Achorhof zieht, merkt auch Pfarrer Hubert Colling, der alle zwei Wochen in der Kapelle des Achorhofs eine katholische Messe feiert. Der gebürtige Saarländer genießt die Gastfreundschaft und Offenheit.
„Was ich sehr schön finde: Es wird nicht so genau geguckt , welche Religion jemand hat, sondern es ist tatsächlich offen für jeden. Dabei lernt man viele Menschen kennen und es wird auch ganz viel unternommen. Es ist nicht immer nur auf religiöser Ebene, sondern hier steht wirklich der Mensch im Mittelpunkt. Und das ist schön.“
Pfarrer Hubert Colling
Der Achorhof in Märkisch Wilmersdorf. Er ist nicht leicht auf den Punkt zu bringen, denn er ist Vieles. Ein ökumenisches Begegnungszentrum, ein Ort der Stille und des Auftankens, ein Ort für Gebet, aber auch des Anpackens. Jugendgruppen werden hier genauso willkommen geheißen, wie Menschen, die nach einer geistlichen Gemeinschaft suchen oder denen es in der Stadt schlicht zu eng ist.
Und in Zukunft? Wie wird sich der Hof entwickeln? Was soll er ausstrahlen?
„Also ich wünsche mir, dass der Achorhof Wärme ausstrahlt, Gastlichkeit und, dass die Beschäftigung mit Gott keine Spinnerei ist! Sondern, dass unsere Überzeugung wirklich alles, also jede Handlung, alles sehr handfest betrifft. Und dass es den Menschen hilft, dieses "Ja" von Gott. Nicht, dass der Mensch dadurch alles perfekt macht, sondern dass er gehalten ist.“
Claudia Paulin