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Es sind die Blicke, das Staunen und die Freude darüber, wenn er die Schlüssel zum Auto weiterreichen kann. An Menschen, die ihr Glück manchmal kaum fassen können. „Das erzeugt bei mir eine Gänsehaut und es fließen bei allen Beteiligten auch Tränen. Wir erleben emotionale Momente, die bei mir eine tiefe Zufriedenheit auslösen.“ Hajo Rottmann (54) aus Baesweiler (NRW) hat mit „car4twenty“ ein einmaliges Hilfsprojekt auf die Beine gestellt, das für viel „Wind unter den Flügeln“ sorgen kann, wie er stolz erzählt.

Jacqueline Gerstner ist glücklich: "Ein Auto wird das Leben unserer Familie verändern!"

Hajo Rottmann ist überzeugt vom Projekt: „Wir möchten Menschen, die sich das finanziell nicht leisten können, sehr konkret und praktisch helfen."

Wir möchten Menschen, die sich das finanziell nicht leisten können, sehr konkret und praktisch helfen, in ihrem Alltag wieder mobiler zu werden. Damit ein selbstbestimmteres und vor allem einfacheres Leben möglich wird. Damit sich neue Jobperspektiven ergeben oder man vielleicht endlich gesund werden kann, weil Arzttermine sofort zugesagt und unproblematisch wahrgenommen werden können.“

Hajo Rottmann: „Das machen wir mit gebrauchten Autos, die ein zweites Leben verdient haben und zu schade zum Verschrotten oder für den Export sind. Diese Autos richten wir technisch und optisch wieder her und stellen sie den bedürftigen Familien oder Einzelpersonen dann für 6 Monate kostenlos zur Verfügung. Wir erleben immer wieder, dass unsere Autos dem Leben der unterstützten Personen eine ganz neue Wendung geben.“ Mitglieder zahlen 20 Euro Monatsbeitrag, können die Idee damit voranbringen.

"Ich bin arbeitssuchend, alleinerziehend. Mein Bruder braucht Medikamente und meine Mutter hat regelmässige Arzttermine. Das Auto wird mir auch bei der Jobsuche helfen", sagt Jacqueline Gerstner (38).

Kleiner Hebel mit großer Wirkung: "Die Anrufer erzählen mir von ihren täglichen Hürden, die sie im Alltag haben", sagt Hajo Rottmann.

Davon sind Hajo Rottmann und die Vereinsmitglieder von „car4twenty“ überzeugt. „Die Autos verändern den Alltag positiv, weil Menschen mobiler werden, die vorher durch ihre persönliche Situation auf unzählige Schwierigkeiten getroffen sind. Denn ohne Mobilität muss jeder Einkauf, jeder Arztbesuch, jede berufliche oder private Verpflichtung mit Bus oder Bahn oder gar zu Fuß erledigt werden. Bei Wind und Wetter, Regen, Eis und Schnee. Oder fällt im Vorhinein kategorisch aus, weil das Geld für das Busticket oder das Taxi fehlt. Dann wird versucht zu sparen, wo kein Sparen mehr möglich ist. Die Folgre ist gesellschaftliche, private und soziale Ausgrenzung. Dort helfen wir mit unseren Leihautos und durchbrechen einen Teufelskreis.“

Es sei für ihn sehr bewegend, wenn er die Geschichten der Menschen hört, die sich bei „car4twenty“ für ein Auto bewerben. Hajo Rottmann: „Sie erzählen davon, wie ihr tägliches Leben zu einem unerträglichen Hürdenlauf geworden ist und nicht selten von weiteren negativen Schicksalsschlägen begleitet werden. Darüber reiben sich viele Menschen auf, resignieren und ergeben sich am Ende ihrer Kräfte ihrem scheinbaren, jedoch völlig unnötigen Lebensschicksal. Dabei sind es Dinge, die jedem passieren können und niemand eine Schuld hat. Jeder kann von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder anderen Schicksalsschlägen betroffen sein.“

Informationen zu "car4twenty":

Die gebrauchten Autos sollen „Flügel“ sein, diese Hürden zu überfliegen, wünscht sich Hajo Rottmann. „Es funktioniert! Denn ich höre immer wieder zwei Geschichten. Eine schwierige Geschichte ohne Auto und viele schöne Geschichten, nachdem unsere Familien ein Auto von uns bekommen haben. Es ist großartig, was durch ein kleines Auto alles passieren kann!“

Da gibt es den Nachhilfelehrer Max aus Dortmund, der vorher mühsam bei Regen und Schnee mehr schlecht als recht bis zu 60 Kilometer am Tag zu seinen Schülern radeln musste. Immer gehetzt. Angestrengt und körperlich am Limit, weil Geld und Zeit ständig knapp waren. „Mit unserem Leihwagen hat sich sein Leben fundamental geändert. Nun kann er mehrere Schüler pro Woche gleichzeitig betreuen, weil das Auto ihm mehr Zeit und auch persönliche Ruhe gibt, alle Termine zu managen. Mehr Schüler bedeuten mehr Einnahmen und das bewirkt für ihn ein besseres Leben“, freut sich Hajo Rottmann. Ein positiver „Domino-Effekt“, bei dem das Auto der entscheidende „Stein“ war, die verhängnisvolle „Negativ-Kette“ zu durchbrechen.

Im Internet hat Jacqueline Gerstner das Angebot von "car4twenty" gefunden und sich sofort gemeldet.

Hajo Rottmann war gerührt von der alleinerziehenden Mutter, die durch eine längere Arbeitslosigkeit gesellschaftlich ins Abseits geriet. „Sie zog sich zurück, was vor allem für ihren Sohn eine große Belastung war. Mit unserem Auto blühte ihr Alltagsleben in kürzester Zeit wieder auf! Ich bekam einen Anruf, in dem mir die Mutter stolz erzählte, dass sie mit Ihrem Sohn am Meer war und ihr Filius zum ersten Mal Sand unter seinen Füßen spürten konnte…“

Da war er wieder, dieser Moment, der bei Hajo Rottmann jedes Mal für Gänsehaut sorgt. „Dafür machen wir die ehrenamtliche Arbeit. Das ist Starthilfe für ein neues Leben, die wir mit unseren bescheidenden Mitteln geben können.“ Die Idee zu „car4twenty“ reifte im freiberuflichen Sprachdozenten Hajo Rottmann schon 2015. Ein Jahr, in dem er selbst auf „Wolken“ schwebte. „Im Januar hatte ich meine Frau kennen- und lieben gelernt und zogen sieben Monate bereits zusammen. Unsere erste gemeinsame Investition war der Kauf einer gebrauchten Familienlimousine. Meine Frau hatte immer schon für elegante englische Limousinen mit viel Chrom geschwärmt und so wurde es ein 9 Jahre alter Jaguar mit Dieselmotor, den wir aus einem Hinterhof in Gelsenkirchen retten konnten.“ Mit viel Liebe und Sinn fürs Detail richteten sie das ramponierte, verlassene und ungeliebte Auto wieder her und bekamen frischen TÜV und die ersehnte Euro-4-Umweltplakette.

Hajo Rottmann: "Das Projekt funktioniert nach dem Topfprinzip. Die Kosten für das Auto, die Inspektion, TÜV, neue Reifen und Bremsen werden auf viele Schulter verteilt."

Das betagte Auto aus England war nach guter Pflege wieder fahrbereit und Hajo Rottmann auf den Geschmack gekommen. „Die Idee, gebrauchte Autos wieder auf die Straße zu bringen und gleichzeitig ein gutes Werk damit zu tun, das hat mich und mein gesamtes Team gereizt.“ Mehr noch, er wollte das Projekt „Hilfe gegen soziale Ausgrenzung durch Autos unbedingt starten. Das Grundprinzip: „Was für eine Person oder einzelne Familien unmöglich ist, verteilen wir einfach auf viele Schultern und machen es so möglich.“

So entstand das Topfprinzip von car4twenty: kostet ein Auto inklusive Inspektion, TÜV, neuen Reifen und Bremsen insgesamt 1.000 Euro, dann werden die Kosten eben auf 50 Schultern verteilt. Betragen die Reparaturkosten ausnahmsweise einmal 1.300 Euro, sind es eben 65 Schultern. „Wichtig war uns immer, dass es sich jeder leisten kann, bei uns mitzumachen und uns zu unterstützen. Und einen Zwanziger im Monat, den hat fast jeder im Monat übrig.“ So entstand der Name des Vereins: car4twenty – ein Auto für 20 Euro!

Mit dieser Idee im Kopf zeichneten Hajo Rottmann und seine Frau Ute (50) im Juni 2017 ein Video auf und luden es auf YouTube hoch. Die Resonanz war überwältigend! Innerhalb eines Tages hatten sich über 10.000 Menschen das Video geschaut, den „frisch geborenen YouTube-Kanal abonniert und meldeten sich telefonisch und per E-Mail aus dem ganzen Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland.

Es gab sogar Zuschauer, die wollten sofort spenden und Vereinsmitglied werden. Maximilian aus München, damals Jura-Student, wollte die Satzung beisteuern. Rayan aus Mainz, damals 19 Jahre alt, bot an, wichtige Ersatzteile wie Reifen, Batterien und Bremsen zu organisieren. Und Jan aus Bielefeld, Schüler und im Jahr 2017 noch nicht ganz volljährig, wollte sich um Social Media, Facebook und Instagram kümmern. „Darf ich trotzdem mitmachen? Meine Eltern erlauben mir das bestimmt“, fragte er vorsichtig bei Hajo Rottmann an.

Das hat uns unheimlich gefreut“, sinniert Ute Rottmann rückblickend. Und so nahm die Vereinsidee um car4twenty innerhalb weniger Wochen konkrete Gestalt an.

Aktuell sind fünfzehn Fahrzeuge auf der Website des Vereins zu sehen. Ein aktuelles Projekt ist ein dunkelgrüner Seat-Kombi mit über 168.000 Kilometern Laufleistung. Den bekommt Jacqueline Gerstner (38). Sie war Angestellte in einem Supermarkt. Das Schicksal schickte sie in den vergangenen Jahren auf eine kurvenreiche Strecke mit vielen Höhen und Tiefen: „Ich bin arbeitssuchend, alleinerziehend mit meinem 11-jährigen Sohn und kümmere mich außerdem noch um meine kranken Angehörigen. Mein Bruder braucht regelmäßig Medikamente. Meine Mutter ist an grauem Star erkrankt und muss regelmäßig Termine bei Spezialisten und im Krankenhaus wahrnehmen. Ohne Auto benötige ich für sämtliche Besorgungen und Krankentermine in meiner weitläufigen Region sehr viel Zeit. Das Auto von „car4twenty“ bedeutet eine riesige Erleichterung (!) für unsere ganze Familie und mir selbst hilft es bei der anstehenden Jobsuche.“

"Wir sind als Verein gemeinnützig. Das Finanzamt verpflichtet uns, die Bedürftigkeit unserer Autoempfänger zu prüfen und zu dokumentieren!“

Damit alles seine Ordnung hat, muss Hajo Rottmann jeden Fall gesondert prüfen. „Weil wir als Verein gemeinnützig sind, verpflichtet uns das Finanzamt, die Bedürftigkeit unserer Autoempfänger zu prüfen und zu dokumentieren!“ Dazu reicht in der Regel ein behördlicher Bescheid. „Wir möchten nicht nur denen helfen, die durch eines unserer Autos vielleicht eine neue Jobperspektive bekommen, sondern vor allem auch die Menschen unterstützen, die krank geworden sind und in diesen Tagen große Schwierigkeiten haben, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Sofern überhaupt ein Bus oder eine Bahn fährt.

Wir hören oft von Panikattacken, Atemnot und Beklemmungsgefühlen, aber auch davon, dass die 2-stündige Busfahrt mit mehrmaligem Umsteigen mit einem Auto auf 10 Minuten reduziert werden könnte. Wenn man krank ist, ist sowieso schon alles nicht so einfach und es ist auch absolut verständlich, dass man nach einem schmerzhaften Arzttermin so schnell wie möglich nach Hause möchte.

Fertig zur Fahrt in ein neues Leben - Jacqueline nimmt die mobile Chance sehr gerne an.

Ute und Hajo Rottmann und das gesamte c4t-Team bewerten nicht, sondern sehen immer die Menschen und ihre seelischen Notlagen. „Wir wollen, dass sich die Menschen in unserer Nähe wohlfühlen!“, sagt Maximilian aus München, der inzwischen als Rechtsanwalt bei Gericht arbeitet und zweiter Vorstand bei car4twenty ist.

Jacqueline Gerstner ist überglücklich, während sie einen Blick unter die Motorhaube wirft. Dann nimmt sie hinter dem Lenkrad Platz, während Hajo Rottmann vorne das Kennzeichen anschraubt. „Wir bleiben in Kontakt, denn jede gute Autovermittlung ist für uns neuer Ansporn weiterzumachen.“

Für die Zukunft würde Hajo Rottmann sich über Kooperationen mit Autohäusern und -händlern freuen. Ebenso nimmt er auch ernstgemeinte Autospenden entgegen. „Bevor ein altes Auto einfach nur verschrottet oder halbherzig ins Ausland verramscht wird, kann sich doch jeder fragen, ob das eigene Fahrzeug, das man immer gut gepflegt und einen jahrelang begleitet hat, nicht noch für den guten Zweck gespendet werden könnte.“

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