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Mission gescheitert Michael Dufner

Seit mehreren Tagen fällt uns auf, dass unsere Kinder einander «obeabebutzed». Sie halten sich gegenseitig Fehler vor, zeigen den andern auf, was sie falsch machen und stellen sich dadurch besser hin als der andere. Ja, wenn ich die Fehler des anderen sehe, dann scheinen meine Fehler plötzlich kleiner und un­bedeutender. Eine Strategie, die wir aber nicht gerne sehen.

Michael Dufner, michael.dufner@feg.ch

Wir wollen als Eltern voraus gehen und haben dabei schon so viel versucht. So be­schlossen wir eines Morgens gemeinsam, einen Tag lang gegenüber unseren Kindern nur Positives zu erwähnen, also nichts an den Kindern und ihrem Verhalten auszusetzen, sondern nur das Gute zu unterstreichen und sie zu loben. Wir erhofften uns (wenn ich ehrlich bin) schon eine gewaltige Veränderung, denn das könnte meiner Meinung nach eine coole Art sein, Frieden zu stiften. Also wartete ich nervös, bis endlich meine Kids von der Schule nach Hause kamen.

Als ich als ersten Heimkehrer meinen Teenie­sohn erblickte, ahnte ich: Das wird schwierig werden. Sein Gesicht war düster, langezogen, der Ausdruck genervt und lustlos. Er freute sich offenkundig nicht, dass wir ihn erwarteten. Und so betete ich innerlich: «JESUS! Hilf mir!! Was soll ich sagen?» Ganz spontan kam es dann aus meinem Herzen: «Mein lieber Sohn, so cool, bist du zu Hause! Ich habe mich auf dich gefreut und ich muss dir einfach mal ein Kompliment machen. Man erkennt sofort, welche Gemütsstimmung du grad durchlebst. Man sieht dir so richtig an, dass du keine Lust hast, mit uns zu sprechen, dass du ‹ohne Bock› nach Hause gekommen bist und dass der Morgen vermutlich so richtig blöd war. Trotzdem schön, dass du zu Hause bist!» – «Boom!», dachte ich. Cooler Spruch! Und ja, er wirkte. Mein Sohn sah mich ganz verdattert an und fragte: «Papi, was ist mit dir los? Ist etwas passiert?» Voller Begeisterung erzählte ich ihm von unserer Idee und unserem Vorhaben, nur Positives zu sagen – einen ganzen Tag lang.

Das lausbübische Schmunzeln meines Sohnes sehe ich innerlich jetzt noch. Nach meiner be­geisterten Ansprache machte er es sich zur Aufgabe, mir zu zeigen, dass ich genau das nicht schaffen werde. Und so tönte es – gefühlt alle 5 Minuten: «Mööööögg, Papi! Schon wieder hast du etwas Negatives gesagt!!!» Es erübrigt sich zu erwähnen, dass mich das auf die Palme brachte und ich total wütend über mich und mein Versagen frustriert aufgab. Mission gescheitert!

Erst am Abend im Gespräch mit Jesus, als ich die Szene noch einmal durchging, wurde mir etwas bewusst. Mir kam die Geschichte von Isais jüngstem Sohn, dem Hirtenjungen David, in den Sinn. Ich hatte die Geschichte im Kindergottesdienst erzählt. Dabei war es mir wichtig zu zeigen, was es für David hätte bedeuten können, als Jüngster geboren zu sein: Gut genug, um für die Schafe und Ziegen zu sorgen. Als Samuel den neuen König suchte, wurde David von seinem Vater nicht einmal zur Vorstellung gerufen, ja vielleicht sogar bewusst auf dem Feld gelassen. «Der kann es ja nicht sein…» Doch Gott hatte genau David im Auge. Wieso? Weil David nicht die Umstände verantwortlich machte, weder für sein Er­gehen, seine Identität oder seine Stimmung. Nein, er nutzte die gegebenen Umstände im richtigen Moment, um genau in diesen Situationen Gott besser kennenzulernen, lieber zu singen, von IHM Sieg zu erwarten über Bären und Löwen.

«Wir haben uns gegen unser Umfeld aufgelehnt, statt genau darin die Stärke unserer eigenen Beziehung zu Jesus zu suchen. Und zusätzlich wollten wir unseren Kindern vermitteln, dass wir es können, sie aber nicht. Logisch wollten sie uns beweisen, dass wir es nicht schaffen werden.»

Doch was habe ich mit meiner Frau für meine Kinder gemacht? Wir wollten – ich sage mal «eher unbewusst» – unseren Kindern zeigen, wie man es macht, einander nicht zu dissen, nicht herunterzumachen, sondern einander zu ehren. Wir haben uns gegen unser Umfeld aufgelehnt, statt genau darin die Stärke unserer eigenen Beziehung zu Jesus zu suchen. Und zusätzlich wollten wir unseren Kindern vermitteln, dass wir es können, sie aber nicht. Logisch wollten sie uns beweisen, dass wir es nicht schaffen werden.

Wenn wir andere schlecht machen müssen, sie ausspielen wollen, dann fehlt es an Anerkennung, an Ruhe, an Erfüllung, am fehlenden Wissen, wer wir sind. Das gibt uns dann das Gefühl der Überlegenheit, der Wichtigkeit unseres Sieges über einer Situation. Doch wie geht es den Menschen, die so unter die Räder kommen? Niemand von uns möchte diese Erfahrung machen. Deshalb versuchen wir mit aller Kraft und allen Mitteln, dies zu verhindern.

David hatte sich nicht gegen seine Umstände aufgelehnt. Er hatte Gott vertraut, und der hatte ihn vom Feld geholt und ihn zum König gemacht. Sind wir bereit, Gott zu vertrauen, dass Er uns beisteht, dass wir in den Herausforderungen des Alltags durch Ihn und nicht durch unsere Kraft bestehen?

Am Tag nach meiner Niederlage ging ich zu meinem Sohn und entschuldigte mich für mein Verhalten, mein besserwisserisches Getue und das Vermitteln, dass sie, unsere Kinder, nicht genügen. Aber ich machte auch klar, dass ich mir mehr Frieden wünsche, schönere Worte, ein freundlicheres Miteinander. Seither versuchen wir als Familie, einander zu helfen. Meine Kinder unterstützen mich, ich helfe ihnen – nicht, um einander die Fehler vorzuhalten, sondern um zu üben, mehr das Positive zu sehen und wahrzunehmen, was jedes von uns mitbringt.