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Digitale Plattformen Keine Alternative zu amazon, Google und Co.?

Eine Einführung in die Ökonomie der digitalen Plattformen und ihre Alternativen.

Von Charlotte Griestop, Tom Göhring, Jondis Schwartzkopff, Gülsüm Cengiz

Dieser Text entstand im Rahmen einer Schreibwerkstatt von Exploring Economics im März 2020. Gemeinsam haben Studierende aus verschiedenen Fachrichtungen (Politik-, Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie Lehramt im Fach Arbeitslehre) zu Themen der ökologischen Ökonomie gelernt und gearbeitet. Inwiefern Digitale Plattformen da hineinpassen? Digitale Plattformen sind ein wichtiger Teil der modernen Wirtschaft, bringen jedoch einige Probleme mit sich. Welche das sind und vor allem warum es Alternativen für die sozialökologische Transformation braucht, das erfahrt ihr in diesem Dossier. Am Ende findet ihr Anknüpfungsmöglichkeiten für die Verwendung im Schulunterricht sowie ein Glossar, in dem einige Begriffe erklärt werden.

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung: Digitale Plattformen und das Versprechen der Sharing Economy
  2. Grenzenloses Wachstum: Die Dynamik der Plattform-Ökonomie
  3. Die Plattform als ökonomische Struktur
  4. Ökologische Aspekte der Plattformen
  5. Plattform-Kooperativen: Zwischen Utopie und Realität
  6. Hindernisse und Herausforderungen für Plattform-Kooperativen
  7. Trotz allem ist es möglich: Vier Beispiele für erfolgreiche Plattform-Kooperativen
  8. Anknüpfungsmöglichkeiten für die Thematisierung im Schulunterricht
  9. Fazit: Solidarität im digitalen Zeitalter
  10. Glossar
  11. Literatur-Verzeichnis

1. Einführung: Digitale Plattformen und das Versprechen der Sharing Economy

Anfang der 2000er war der Optimismus der Menschheit ungebremst und besonders der Aufstieg des Internets war mit utopischen Hoffnungen aller Art verbunden. Als autonomer Raum ohne festgelegte Regeln sollte es das volle Potenzial der menschlichen Kreativität zur Entfaltung bringen. Das Teilen von Ideen, Daten und materiellen Ressourcen mit verschwindend geringen zusätzlichen Kosten (Grenzkosten) versprach eine Gesellschaft, in der die Knappheit der Güter kaum noch eine Rolle spielen würde. Im ökologischen Kontext wird von einer Dematerialisierung der Bedürfnisse gesprochen. Die meisten der großen digitalen Plattformen wurden in dieser Zeit gegründet.

Digitale Plattformen ermöglichen es Nutzer*innen und Anbieter*innen mit Internetzugang, sich mit geringem Aufwand zu treffen und schaffen so einen Marktplatz, der für die unterschiedlichsten Zwecke genutzt werden kann – man denke an Bereiche wie Kommunikation (WhatsApp, Telegram, Facebook, Twitter), Mobilität (Mitfahrgelegenheiten, Taxifahrten, Car- und Bike-Sharing), Unterkunft (wg-gesucht, ImmobilienScout, Airbnb), Kultur (Streaming-Anbieter von Musik und Filmen, Fotografieplattformen), Essen (FoodSharing, Lieferdienste von Restaurants), Online-Handel (Amazon, Ebay, Zalando), Online-Dating. Welcher Bereich unseres Lebens findet noch außerhalb von Plattformen statt?

Nick Srnicek unterscheidet in seinem Buch „Plattform-Kapitalismus“ (2018) fünf Formen von digitalen Plattformen: 1. Werbeplattform (Google und Facebook), 2. Cloudplattform (Amazon Mechanical Turk), 3. Industrieplattform (Siemens, SAP), 4. Produktplattform (Spotify, e-Scooter), 5. Lean Platform/ Vermittlung (Airbnb, Uber, TaskRabbit).

2. Grenzenloses Wachstum: Die Dynamik der Plattform-Ökonomie

Die Gründe für das potenzielle Wachstum der Internet-Giganten sind vielseitig und können nicht nur in ihren innovativen Geschäftsmodellen gefunden werden. Zunächst ist hervorzuheben, dass viele der technischen Grundlagen aus staatlich geförderter Forschung und bereitgestelltem Risikokapital resultieren (Mazzucato 2011). So wurde Googles ursprünglicher Suchalgorithmus mit den Mitteln der National Science Foundation der USA entwickelt. Gleichzeitig wurde die Marktausbreitung durch eine flächendeckende Privatisierung der telekommunikativen Infrastruktur ermöglicht. Man kann also sagen, dass die Bedingungen maßgeblich von staatlicher Hand geprägt wurden.

Gleichzeitig sind Dynamiken der Digitalisierung maßgeblich von Skalen- und Netzwerkeffekten bestimmt. Skaleneffekte resultieren aus den sehr niedrigen Grenzkosten für die Produktion jeder weiteren Einheit. Das ermöglicht es zum Teil, die immateriellen Güter (zunächst) kostenlos anzubieten, um Kunden anzuwerben. Netzwerkeffekte beruhen auf der Begebenheit, dass der Nutzen vieler Plattformen wächst, je mehr User sie hat. Venture-Capital aus den Finanzmärkten ermöglicht es, die Entwicklungskosten zu Beginn zu stemmen und gleichzeitig das Produkt langfristig kostengünstig für die Nutzer zu halten, bis eine Monopolstellung erreicht ist. Erst dann konzentriert sich das Unternehmen darauf, Gewinne zu erwirtschaften.

Die Durchdringung aller Lebensbereiche mit der Nutzung von Plattformen verändert unseren Alltag. Plattformen sind jederzeit und fast überall verfügbar. Sie geben uns eine Übersicht über Auswahlmöglichkeiten und die Möglichkeit, die günstigsten Angebote zu wählen. Viele Plattformen kosten nichts, andere nur wenig oder nur, wenn man sie auch benutzt. Und trotzdem haben sich Plattformen in den wenigen Jahren seit ihrer Gründung zu den wertvollsten Unternehmen der Welt entwickelt. Die Grafik links zeigt, dass im Jahr 2018 sieben der zehn wertvollsten Unternehmen auf Plattformen basieren (mit * markiert).

3. Die Plattform als ökonomische Struktur

Im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts verfestigen die Dynamiken der digitalen Welt sich zunehmend zu einer Struktur etablierter Märkte. In der Forschung hierzu kristallisiert sich als gemeinsames Merkmal der Begriff der Plattform heraus, der definiert werden kann als digitale Infrastruktur, die es zwei oder mehr Gruppen ermöglicht zu interagieren. Die größten bekannten Plattformen sind Google, Amazon, Facebook und Apple (wegen ihrer Anfangsbuchstaben die sogenannten GAFA-Konzerne), welche als „First Mover“ entscheidende Macht in der Ausgestaltung des kommerziellen Internets haben.

Von einem autonomen Raum kann längst nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr unterliegt das nunmehr kommerzialisierte Internet immer mehr einschränkenden Dynamiken. Die großen Leitunternehmen spielen zunehmend die Rolle sogenannter Gatekeeper, die durch die Kontrolle der digitalen Infrastruktur bestimmen können, wer im digitalen Raum profitiert und wer nicht.

Philip Staab, einer der bekanntesten deutschen Soziologen, der zu Plattformen forscht, benennt diese neue Struktur als ein System der proprietären (sich in Eigentum befindenden) Märkte. Das Besondere an diesem System ist, dass die großen Akteure „nicht primär Produzenten sind, die auf Märkten agieren, sondern Märkte, auf denen Produzenten agieren […]. Als Quasimärkte organisieren Plattformen dabei das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage.“ Das hat weitreichende Folgen für die übergreifende Organisation des Produktionsmodells dieser Unternehmen.

Besonders in der Kritik stehen die großen Plattformen für die sozialen Folgen ihres Wirtschaftens. Durch die Monopolstellung steigt das Reichtum der CEOs und weniger Manager*innen in die Höhe, während die Arbeit auf den Plattformen von prekären Löhnen, befristeten Verträgen, Scheinselbstständigkeit und geringer sozialer Absicherung geprägt ist. Besonders in der Corona-Krise wurden diese Missstände deutlich. Während die Aktienkurse von digitalen Dienstleistern in die Höhe stiegen und Jeff Bezos zum wohl ersten Trillionär der Weltgeschichte wurde, mussten die Arbeiter*innen in den Amazon-Lagern ohne ausreichende Schutzmaßnahmen weiterarbeiten und erhielten im Falle einer Krankschreibung keinen Lohn. Insbesondere selbstständig auf Vermittlerplattformen Beschäftigte standen plötzlich ohne Job und Absicherung da.

4. Ökologische Aspekte der Plattformen

Ein weiterer Kritikpunkt an den großen Plattformen hängt mit der enttäuschten Hoffnung der Sharing-Economy zusammen. Die Verheißung, den Konsum zu dematerialisieren, ist nur teilweise eingetreten. Während die Vorteile einer Sharing-Economy für die Umwelt auf der Hand liegen – Teilen statt Besitzen und damit weniger Produkte –, ist auf den Plattformen gleichzeitig ein von Ort und Zeit entkoppelter Konsum möglich geworden. Bestellungen auf Knopfdruck, Lieferservices, personalisierte Werbung und eine riesige Palette an Produkten befeuern den Konsum und damit die ökologische Krise. Auch Sharing-Plattformen vereinfachen und vervielfachen in vielen Fällen den Konsum und führen so, wie man etwa am Beispiel Airbnb sehen kann, zu Überbelastungen von Stadt und Natur. Außerdem verbrauchen die Server der Plattformen Unmengen an Strom, dessen Erzeugung den Klimawandel vorantreibt.

Als zentrale Bestandteile einer nachhaltigeren Plattform werden daher demokratische Strukturen, Entkommerzialisierung und gesellschaftliche Mitbestimmung gesehen. Diese würden langfristig das Profitstreben durch eine selbstbestimmten, sozial-ökologisch verträglichen Entwicklung ersetzen. Leider ist dies bisher nur in einem Bruchteil der digitalen Plattformen der Fall und die Debatte über die nachhaltige Ausrichtung von digitalen Plattformen steht noch ganz am Anfang.

5. Plattform-Kooperativen: Zwischen Utopie und Realität

In Kapitel 1 bis 3 haben wir gesehen, wie digitale Plattformen die Art und Weise, wie wir arbeiten und Einkommen generieren, transformieren. Plattformen als neue institutionelle Formen verändern die sozialen Beziehungen zwischen Zivilgesellschaft, Markt und Staat. Unter anderem birgt dies das Risiko von Monopolen und begünstigt die steigende wirtschaftliche Ungleichheit und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Zudem wächst auch die ökologische Belastung zunehmend mit dem Wachstum der Plattformen.

Vielen Menschen ist die Problematik bewusst, aber denken, es mangele an Alternativen. Tatsächlich geben uns jedoch Plattform-Kooperativen die Chance, die Vorteile digitaler Plattformen zu nutzen und gleichzeitig sozialer Gerechtigkeit näher zu kommen.

Der Plattform-Kooperativismus ist eine Bewegung, die mit dem Ziel einer sozial-ökologischen Transformation und Orientierung an traditionellen Genossenschaftsprinzipien den Besitz an Plattformen kollektiviert. Diese Prinzipien basieren auf Solidarität und haben gemeinsames Eigentum und Besitz an der Plattform, demokratische Mitbestimmung und die Verteilung erwirtschafteter Profite zur Grundlage. Außerdem wird sich stärker an den Bedürfnissen der Nutzer*innen orientiert.

Die International Co-operative Alliance (ICA) beschreibt eine Kooperative als autonome Vereinigung von Personen, die sich zusammengeschlossen haben, um ihre gemeinsamen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse und Ambitionen durch ein demokratisch kontrolliertes Unternehmen in gemeinschaftlichem Besitz zu erfüllen. Laut ICA sind ca. 12% der Weltbevölkerung Teil der mehr als 3 Millionen Kooperativen weltweit. Der Begriff Plattform-Kooperativimus wurde von Trebor Scholz geprägt und ist seit 2013 Forschungsgegenstand in Publikationen. Noch sind kooperative Plattformen ein Nischenthema mit großem Potenzial. Besonders lokal, aber auch global können sie zu einer sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltigeren Gesellschaft beitragen.

Für eine digitale Ökonomie werden diese sieben Genossenschaftsprinzipien vorgeschlagen:

6. Hindernisse und Herausforderungen für Plattform-Kooperativen

Wenn die Lösung so nah liegt, warum gibt es dann nicht mehr davon? Leider ist die relative Unbekanntheit nicht das einzige Problem der Plattform-Kooperativen. Um sich durchzusetzen und vor allem gegen ihre große Konkurrenz bestehen zu können, müssen Gründer*innen von Plattform-Kooperativen einige Hindernisse nehmen.

Die erste Herausforderung liegt laut Thäter und Gegenhuber (2020) in der Finanzierung. Der herkömmliche Weg für junge Plattform-Start-ups, durch Risikokapitalgeber (Venture-Capital) unterstützt zu werden, widerspricht dem Grundgedanken der Genossenschaft. Mögliche alternative Finanzierungsmöglichkeiten sind: Crowdfunding, Kooperation mit Investoren, welche genossenschaftliche Organisationsformen unterstützen, und die Finanzierung über genossenschaftliche Finanzinstitutionen.

Die zweite Herausforderung ist rechtlicher Natur, denn die nötigen Vorraussetzungen für die Anerkennung als Genossenschaft sind kosten- und zeitintensiv. Die Rechtsform der Genossenschaft in Deutschland schreibt demokratische Strukturen vor, die vor der Zulassung überprüft werden. Diese Prüfung erfordert viel Zuarbeit und ist daher teuer, da dafür Personal eingestellt werden muss. An dieser Stelle müssten also die Gesetze angepasst werden, um Plattformen die Gründung als Kooperative zu vereinfachen. In den USA können kooperative Start-ups durch das Programm Start.coop begleitet werden. Sie erhalten so in ihrer Anfangszeit professionelle Unterstützung und Finanzierung. Einige praktische Beispiele und Empfehlungen an die Politik hat auch Commons Transition zusammengestellt.

Die dritte Herausforderung liegt in der notwendigen Wettbewerbsfähigkeit, dem Marktzugang und der Skalierbarkeit. Einen Vorteil haben digitale Kooperativen darin, dass sie gemeinsam mit anderen Kooperativen Ressourcen teilen und Kosten senken können. Kosten können auch durch die Nutzung von Open-Source-Software sowie Technologien wie Blockchain minimiert werden. Bezüglich der Skalierbarkeit kann es von Vorteil sein, dass Nutzer*innen die Plattform selbst besitzen und dadurch eine größere Loyalität entsteht.

Eine weitere Herausforderung liegt in der fehlenden Sichtbarkeit von Plattform-Kooperativen. Wie erfährt man von etwas, von dem man nicht weiß, dass es existiert? Es braucht also andere gesellschaftliche Narrative und eine stärkere Verbreitung von Erfolgsstorys. Trotz all dieser Herausforderungen gibt es weltweit schon diverse Erfolgsgeschichten von Plattform-Kooperativen. Einige wollen wir zum Ende des Dossiers noch vorstellen.

7. Trotz allem ist es möglich: Vier Beispiele für erfolgreiche Plattform-Kooperativen

Plattform-Kooperativen gibt es in sehr verschiedenen Branchen, denn zu jeder herkömmlichen Plattform könnte eine genossenschaftlich organisierte Alternative geschaffen werden. Fairmondo zum Beispiel hat sich das Ziel gesetzt, den Online-Handel fair zu gestalten und richtet dabei einen Fokus auf Produkte, die sozial-ökologischen Kriterien entsprechen. Die Plattformgenossenschaft wurde 2012 in Deutschland gegründet, ist bisher aber noch eher unbekannt.

Up & Go ist die App einer genossenschaftlichen Online-Vermittlungsplattform für Reinigungsfachkräfte im Raum New York. Es wird eine faire Bezahlung garantiert, die 4–5 $ über dem Durchschnitt liegt. Von den Einnahmen gehen 5% in die Instandhaltung der Plattform und 95 % bleiben bei den Fachkräften. Bei vergleichbaren konventionellen Anbietern bleiben nur 50–80 % bei den Fachkräften. Die Kooperative wird von den Reinigungsfachkräften selbst geleitet und zukünftige Partner sorgfältig ausgewählt, so dass eine hohe Qualität sowohl für die Anbietenden als auch für die Nachfragenden der Putzdienstleistung besteht. Außerdem werden umweltfreundliche Reinigungsmittel und Methoden verwendet (Fastcompany 2017). Mit dem Franchise-Prinzip sollen über Brightly mehr solcher Kooperativen überall in den USA entstehen (tripleundit 2019).

CoopCycle ist ein Zusammenschluss von Fahrradkurier-Kooperativen, gegründet 2017 in Frankreich. Er wird demokratisch von den Kooperativen verwaltet und ermöglicht es ihnen, vereint aufzutreten und dank der Bündelung von Ressourcen ihre Kosten zu senken. CoopCycle stellt den Code für ihre Logistik-Plattform anderen Kooperativen frei zur Verfügung. Außerdem schafft CoopCycle eine starke Verhandlungsmacht zum Schutz der Rechte der Radfahrer*innen.

Fairbnb ist eine kooperative Buchungsplattform für Unterkünfte, durch die lokale Initiativen und Projekte gefördert und finanziert werden. Auch der kulturelle Austausch zwischen Reisenden und Hosts soll gestärkt werden. Sie startete im Frühling 2020 und bietet bisher Unterkünfte in Venedig, Barcelona, Bologna, Valencia, Amsterdam und Genua an. Die Plattform befindet sich im gemeinsamen Besitz von Hosts, Gästen, lokalen Unternehmen und Nachbar*innen und Entscheidungen werden gemeinsam und zum Wohl der Nachbarschaft getroffen.

Screenshot: fairbnb.coop

Der Musik-Streamingdienst Resonate ist eine Plattform, die auf Fairness, Transparenz und Kooperation basiert. Musiker*innen und Hörer*innen sind Mitbesitzer*innen und Entscheidungen werden nach dem „One Member – One Vote“-Prinzip getroffen. In diesem Guardian-Artikel wird das Streaming-Prinzip erklärt, das auf der Blockchain-Technologie basiert und bei dem der*die Hörende pro Klick bezahlt, wobei der erste Klick eines Songs besonders günstig ist und sich der Preis dann pro Klick verdoppelt, bis nach 9 Klicks desselben Songs der iTunes-Kaufpreis erreicht ist und der Song in den eigenen Besitz übergeht. Hier findest du ein Interview, in dem die Technik hinter Resonate und die bisherige Entwicklung der Plattform beschrieben werden.

Mehr Infos und Beispiele aus aller Welt findest du hier:

Screenshot: directory.coop/ Hinweis zur Karte: Größenverhältnis der Länder entspricht nicht dem der Realität

Hast du Lust bekommen, deine eigene kooperative Plattform zu gründen? Dann findest du hier viele unterstützende Ressourcen:

8. Anknüpfungsmöglichkeiten für die Thematisierung im Schulunterricht

Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer digitalisierten Welt auf, in der digitale Plattformen zu den größten und wichtigsten Unternehmen der Welt zählen und auch in ihrem Alltag ständig präsent sind. Umso wichtiger ist es, dass wir ihnen einen bewussten Umgang mit diesen vermitteln. Es geht hierbei nicht nur um digitale Kompetenzen wie die richtige Verwendung oder das technische Verständnis von Suchmaschinen – sondern auch um ethische Fragen und komplexere Zusammenhänge. Warum sind solche Plattformen häufig kostenlos? Was geschieht mit unseren Daten? Warum kann ich als YouTuber*in Geld verdienen und was bedeutet es für meine Lieblingsmusiker*innen, dass ich ihre Musik auf Spotify höre? Wie sind die Arbeitsbedingungen bei Amazon und warum zahlt Apple keine Steuern? Abhängig von Alter und Schulfach kann der Fokus auf unterschiedliche Aspekte gelegt werden.

Einige Fragen können schon in der Sekundarstufe I behandelt werden, zum Beispiel in Ethik, aber auch in Themenwochen zum Thema Digitalisierung oder in Bezug auf Berufsorientierung, oder in Fächern wie Wirtschaft/Arbeit/Technik. Hier haben wir ein Beispiel-Konzept für eine solche Unterrichtsstunde verlinkt. In der Sekundarstufe II in Fächern wie Politik/Gesellschaft/Wirtschaft aber auch Geschichte könnte dieses Dossier zum Einsatz kommen und Themen wie Macht in der Wirtschaft, Wettbewerb und Monopole, die Rolle der Internetgiganten in der heutigen Wirtschaft, Globalisierung durch das Internet, die Rolle des Staates in der Wirtschaftsförderung, soziale Marktwirtschaft, Verbraucherschutz, Arbeitsbedingungen bei Plattformen (Phänomene wie Scheinselbstständigkeit usw.), und Start-ups vertiefen.

Eine Thematisierung kann Schüler*innen unserer Meinung nach wichtiges Wissen und Querschnittskompetenzen mitgeben, die für die digitalisierte Welt unabdingbar sind: Das kritische Hinterfragen des eigenen Konsums, Wissen zu ethischem Wirtschaften, eine realistische und positive Zukunftsvision entwickeln, Motivation schaffen sich für eine sozialökologische Transformation oder solidarische Wirtschaft zu engagieren, sowie, allgemeiner, Internet- und Lesekompetenz.

9. Fazit: Solidarität im digitalen Zeitalter

Der Blick auf bereits bestehende Coops motiviert: Veränderung im Hier und Jetzt ist möglich! Kooperativen verändern die Gesellschaft und Wirtschaft auf systematische und strukturelle Weise und gehen damit weiter als das individuelle Bestreben, moralisch korrekt zu konsumieren. Trotzdem ist der Weg zu einer transformativen, solidarischen Wirtschaft noch weit, denn die Marktmacht der großen Plattformen zu brechen ist kein leichtes Unterfangen. Dies hängt auch von den institutionellen Begebenheiten ab, in die die Plattformen eingebettet sind. Es liegt an uns, diese mitzugestalten. Ein kritisches Verständnis des Status Quo ist dafür unabdingbar. Aber vor allem: die Bereitschaft, Veränderung anzupacken und durch kooperative Plattformen Solidarität im digitalen Zeitalter möglich zu machen.

10. Glossar

Plattformen sind Geschäftsmodelle, die sich nicht auf das Management einer Wertschöpfungskette, sondern die Verknüpfung von Marktakteuren spezialisieren (Vermittlerrolle). Ihren Ursprung haben Plattform-Modelle in Bereichen mit fragmentiertem und unübersichtlichem Angebot (z.B. freie Plätze in Restaurants, Ferienwohnungen) oder Nachfrage (Quelle).

Der Begriff der Sharing Economy meint das systematische Ausleihen von Gegenständen, Räumen und Flächen, insbesondere durch Privatpersonen und Interessengruppen. Die Idee ist, dass dadurch geteilter Besitz entsteht und die Gesamtzahl von Gegenständen (z.B. in Privatbesitz befindlichen Autos) reduziert werden kann (Quelle).

Genossenschaft oder Kooperative (von Kooperation) bezeichnet einen Zusammenschluss oder Verband von Personen zu Zwecken der Erwerbstätigkeit oder der wirtschaftlichen oder sozialen Förderung der Mitglieder durch gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Mitglieder einer Genossenschaft sind gemeinsam Eigentümer (Quelle).

Netzwerkeffekte lassen sich in der Volkswirtschaftslehre zu den externen Effekten zählen. Unter externen Effekten versteht man allgemein gesagt Situationen, in denen das Verhalten eines Individuums durch ein anderes Individuum beeinflusst wird. Das Verhalten des Individuums hat also einen „Effekt“ auf das andere Individuum. Netzwerkeffekte sind nun ein Sonderfall der externen Effekte, bei denen sich der Nutzen aus einem Produkt für einen Konsumenten ändert, wenn andere Konsumenten das Produkt ebenfalls nutzen. Je mehr Konsumenten ein Produkt hat, desto größer ist der Nutzen (Quelle).

Interoperabilität ist die Fähigkeit eines Programms oder Systems mit anderen gegenwärtigen oder zukünftigen Produkten oder Systemen ohne Einschränkungen hinsichtlich Zugriff oder Implementierung zusammenzuarbeiten (Quelle). Ein negatives Beispiel ist das iPhone-Ladekabel, ein positives der USB-Stick.

Der Lock-in-Effekt ist eine Art Abhängigkeitsverhältnis von einem Kunden zu einem Anbieter. Der Lock-in-Effekt, auch Anbindeeffekt, beschreibt dabei die Tatsache, dass ein Wechsel des Kunden zu einem anderen Anbieter durch hohe Wechselkosten unwirtschaftlich ist (Quelle).

Wechselkosten (Switching Cost): Unter Wechselkosten versteht man den Aufwand, einen Anbieter zu wechseln. Es ist also ein Maß der Stärke der Bindung in einer Beziehung (Quelle).

Die digitale Infrastruktur ist der Teil der Telekommunikations-Infrastruktur eines Landes, der digitale Dienste und netzbasierte Geschäftsmodelle ermöglicht. Sie ist Grundlage für die Digitale Transformation und Digitalisierung in der Wissensgesellschaft (Quelle). Die digitale Infrastruktur kann in staatlichen Händern oder privatisiert sein.

On-demand Economy beschreibt ein Geschäftsmodell, das den zeitlich begrenzten Zugang zu einer Leistung/einem Produkt umfasst, anstelle diese/s käuflich zu erwerben. Der Begriff entstand als Korrektur des Begriffs → Sharing Economy, da die Hauptakteure der Sharing Economy (bspw. Airbnb oder Uber) kommerzielle Unternehmen sind, deren Geschäftstätigkeit nicht auf dem Prinzip des Teilens beruht (Quelle).

Gatekeeper sind zentrale Schlüsselpersonen in einer Organisation, die den Zugang einer externen Organisation, für die Einleitung eines Transaktionsprozesses oder einer Zusammenarbeit ermöglichen (Quelle).

Venture-Capital, auch Wagniskapital oder Risikokapital, ist außerbörsliches Beteiligungskapital, das als besonders riskant geltenden Unternehmungen, zum Beispiel jungen Start-ups, bereitgestellt wird. Beteiligungskapital bedeutet, dass der Kapitalgeber Anteile des jungen Unternehmens erwirbt. Das Ziel ist ein gewinnbringender Verkauf der Anteile (Quelle). Zu unterscheiden ist diese Form der Finanzierung von Krediten.

11. Literatur-Verzeichnis

Höfner, A. / Frick, V. (2019): Was Bits und Bäume verbindet. Digitalisierung nachhaltig gestalten. Oekom Verlag, München.

Kludas, S. / Pentzien, J. / Wolff, C. / Piétron, D. (2019): Bits & Bäume: Alle Macht den Plattformen. https://netzpolitik.org/2019/bits-baeume-alle-macht-den-plattformen/

Mazzucato, M. (2013): The Entrepreneurial State – Debunking Public vs. Private Sector Myths. Anthem Press, New York.

P2P Foundation (2015): Commons Transition. Policy Proposals for an open Knowledge Commons Society. https://commonstransition.org/wp-content/uploads/2014/11/Commons-Transition_-Policy-Proposals-for-a-P2P-Foundation.pdf

Scholz, T. (2016): Plattform-Kooperativismus – Wie wir uns die Sharing Economy zurückholen können. Rosa-Luxemburg Stiftung. https://www.rosalux.de/publikation/id/8813/plattform-kooperativismus/

Srnicek, N. (2016): Platform Capitalism. John Wiley & Sons, New Jersey.

Staab, P. (2018): Finanzkapitalismus und Digitalwirtschaft – Eine Symbiose mit Sprengkraft. Friedrich-Ebert-Stiftung. https://library.fes.de/pdf-files/wiso/14569.pdf

Thäter, L./ Gegenhuber, T. (2020): Plattformgenossenschaften: mehr Mitbestimmung durch die digitale Renaissance einer alten Idee? In: Bader, V. / Kaiser, S. (Eds.), Datafizierung und Neue Arbeitsweisen – Herausforderungen, Chancen und Zukunftsvisionen für Mitbestimmung und Personalmanagement. Springer, Berlin.

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