Ende letzten Jahres fragte mich die Musikerin & Pianistin Susanne Böhm >>> https://www.kirstensusanneboehm.de , ob ich mir eine Zusammenarbeit mit ihr vorstellen könnte. Sie würde gern versuchen, ein Bild von mir auf ihrem Flügel zu vertonen! Keine Komposition, sondern intuitiv imrovisiert! Ich war einverstanden & sehr gespannt auf dieses Vorhaben. Sie suchte sich dieses Bild aus
Zugegeben - ich hatte große Schwierigkeiten mir vorzustellen, daß das funktionieren würde!? Eine Musik zu bewegten Bildern, einer Folge von Bildern oder einem Video ja
aber zu einem einzigen Bild?
Technisch sehr gut aufgestellt, trafen wir uns virtuell an unseren Rechnern ... nach kurzer Begrüßung & einigen Sätzen über das gemeinsame Baby, stellte ich das Bild ein & Susanne begann auf ihrem Flügel live dazu zu spielen!
FLASH!!
Es hatte keine 10 Sekunden gedauert & ich sah mich versetzt in ein Zugabteil ... schräg gegenüber der jungen Dame sitzend, der Hintergrund schnellte an uns vorbei ... nach weiteren Sekunden, sah ich den Rauch der Zigarette aufsteigen, ja ich konnte ihn sogar riechen ... WOW! Nach ca. 2 Minuten war die Reise vorbei ... Wir waren beide hin & weg von unseren gegenseitigen feed backs, auch die sonstigen Zuhörer, die zugegen waren, sind hellauf begeistert gewesen ... sie teilten in etwa meine Imaginationen!
Ermutigt durch unseren "Erfolg" wollten wir das noch einmal mit einem anderen Bild wiederholen ... ein weiteres Bild wurde von ihr ausgesucht, doch verschiedene äussere Umstände brachten ein Treffen erst einmal zum scheitern! Da kam ich auf die Idee, das Ganze umzudrehen: sie solle mir eine Musik schicken, ich gehe raus & die Musik leitet mich zum Bild! Susanne nahm dies mit Begeisterung auf & ich bekam 1:34 Min. Klaviermusik ... !
Beim ersten Hören, war mein erster Impuls, die erste spontane Idee, ein Motiv in Paris oder Prag zu finden ... ich stellte mir eine Morgenstimmung vor ... vielleicht hatte es geregnet, etwas Bodennebel, eine Brücke, ein Mensch! Möglicherweise sogar etwas "kitschig" ! Auf jeden Fall schwarz/weiß!
Ich hatte beim Hören der Musik keine Farbe gesehen ... das ist schonmal sehr ungewöhnlich für mich, da ich meistens in Farbe fotografiere & denke! Ein intensiver Austausch mit meiner Frau, der Listnerin Gudrun Otten >>> www.go-impuls.com endete damit, daß ich nach Paris oder eben Prag reise, um mich auf die Suche nach meinem Foto zu machen. Von Mallorca aus, in der Nebensaison & dann noch unter den derzeitigen Covidbeschränkungen, erwies sich das als sehr schwer durchführbar. Mir war jedoch klar, daß ich für dieses Bild eine andere Energie als die Insel brauchte! Ich buchte eine Reise nach Barcelona!
Ein Experiment & völlig neu für mich! Die Musik sollte mich also sozusagen zu dem Motiv auf der Straße führen ... schon am ersten Morgen war ich um 6h morgens mit Susannes Musik in Dauerschleife unterwegs, in der Erwartung, etwas führe mich zu meinem Bild! Ich hatte ja meine Pariser Vorstellungen im Kopf ... in Barcelona sieht das jedoch ganz anders aus, das Begriff ich ziemlich schnell.
Es sollte der späte Nachmittag des dritten Tages werden, wo ich plötzlich eine Straßenszene sehe & sofort weiß:
DAS IST ES!
Zum Fischer geworden, positionierte ich mich & probierte allerlei Perspektiven & Einstellungen aus ... so wirklich viel Zeit hatte ich nicht, denn es war klar: das Licht verändert sich um diese Uhrzeit (17h) recht schnell! Eine Wiederholung war nicht möglich, denn am nächsten Tag war meine Rückreise! Die Musik wieder im Ohr ( obwohl ich sie schon total verinnerlicht hatte, da hilft mir meine Erfahrung als Musiker) wartete ich!
EIN EINZIGES BILD HABE ICH GESCHOSSEN!
Nach vier Wochen Zusammenarbeit mit Susanne & Gudrun, einem Tontechniker & einer Videocutterin, kam nun noch die Wortessenz eines Poèmes hinzu, die das Gesamtkonzept zu einem großartigen Ganzen macht ...
Wie kommt das Neue in die Welt?
Was macht Ideen so unwiderstehlich, dass sie die Welt verändern? Was lädt Dinge mit jener unverwechselbaren Energie auf, die aus Ideen weltbewegende Ereignisse machen? Welche Potentiale öffnen sich, wenn zwei vollkommen unterschiedliche Disziplinen sich gegenseitig übersetzen?
Verbunden in einem gemeinsamen Feld energetischer Schwingung setzt der Takt die Schritte eines Straßenfotografen, der seinem Instinkt folgend den Moment trifft, in dem sich Musik und Raum perfekt miteinander verbinden. Es bleibt keine Zeit für den Tanz. Die Musik ist bereits zu Ende. Das Bild ruht im Raum. Die Verabredung ein Versprechen. Eine Eröffnung.
Atmen. Ein und aus.
Über das gewohnte Denken hinaus werden wir getragen in eine Dimension zwischen Zeit und Raum. Zwischen Gefühlen und Gedanken. Zwischen Leben und Tod. Einatmen und ausatmen.
Der Tanz beginnt und mit ihm bewegen wir uns durch ein Bild, dessen Energie mit der Musik in eine neue Schwingung gerät. Das Bild bewegt uns im Takt der Musik. Wir lassen uns ein Stück mitnehmen, dann ändern unsere inneren Bilder ihre Richtung.
Wir verströmen uns in den Fantasien und Vorstellungen, die sich mit unserem Leben genüsslich verbinden. Eine neue Realität entsteht. Zunächst in uns. Alle Sinne geweckt, werden Gefühle plötzlich in eine unerwartete Richtung gelenkt. Erinnerungen angestossen, wie stille Zeugen, die geduldig warten sich einzumischen. In diesen Tanz mit dem Neuen.
Die Grammatik eines im Raum verankerten Bildes spielt mit der Grammatik einer in der Zeit verankerten Musik.
Es entsteht ein grenzüberschreitender Dialog zwischen Raum und Zeit, Klang und Bild, Nähe und Distanz, Farbe und Klang. Gegenseitig füreinander geöffnet entwickeln sich unerwartete Potentiale und Möglichkeiten. Neue Bedeutungen und Wirksamkeiten entstehen.
Lang genug um sich im Körper zu verankern. Kurz genug um essentiell zu bleiben.
Text: Gudrun Otten
Credits:
jfk