„Alles, überall, gleichzeitig“, der Titel des letzten Oscar-Gewinner-Films ist eine perfekte Zusammenfassung des Jahres 2022 für Campax. Der Jahresbericht ist wie ein Drehbuch mit vielen Themen, die parallel laufen; ein paar Sprünge ins Ungewisse und qualitative Arbeit in Zeiten, wo vieles neu ist.
Das Jahr 2022 könnte ein Gefühl von Verrücktheit vermitteln. Doch wie bei dem erwähnten Film gab es doch einen roten Faden und es ging zuletzt um Aspekte, die zentral für die Entwicklung von Campax sind: Mut, um Chancen zu erkennen und zu ergreifen sowie Verantwortung zu übernehmen; Engagement für eine umweltfreundliche, sowie gewalt- und diskriminierungsfreie Gesellschaft; Grosszügigkeit der Mitarbeitenden und der Community. Wir alle haben schnell und dezidiert auf die Ukraine-Krise reagiert, für das Klima und für die Gleichstellung gekämpft. Entsprechend hat Campax das Jahr 2022 beendet: Müde, mit ein paar Gründen, um zu feiern, mit Klarheit über unsere Stärke und mit Lust, weiter vorwärts zu gehen.
Kampagnenberichte
Die drei wichtigsten Kampagnen 2022 waren das Projekt zur Unterbringung geflüchteter Menschen aus der Ukraine bei Privatpersonen in der Schweiz, die Kampagne für einen klimafreundlichen Finanzplatz Schweiz sowie unsere Bemühungen für die Gleichstellung der Geschlechter.
#StandWithUkraine
Als Ende Februar 2022 der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine begann, reagierte Campax blitzschnell.
Gemeinsam mit den Jungen Grünen Schweiz mobilisierten wir eine pazifistische Allianz von Bewegungen, Organisationen und Parteien und riefen zu der ersten grossen Friedensdemonstration am 26. Februar in Bern auf. Die grösste Friedenskundgebung seit 2003 setzte gegen 20’000 Menschen in Bewegung.
Uns war klar, dass dieser Krieg eine grosse Welle von Geflüchteten auslösen und dass viele Menschen hier Zuflucht suchen würden. Deshalb war es wichtig, früh mit konkreten Lösungen einzuschreiten. Die Idee: Schweizer*innen können unbürokratisch und schnell Geflüchtete bei sich aufnehmen.
Innert 48 Stunden wurde das Projekt #StandWithUkraine gestartet, das Unterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine bei Privatpersonen in der Schweiz organisierte. Wir entwickelten ein Formular zur Anmeldung als Gastfamilie und versandten es an unsere gesamte Email-Liste in allen Landessprachen. Der Rücklauf war überwältigend. Innerhalb kürzester Zeit boten tausende Menschen Betten für Geflüchtete an. In den nächsten Monaten kamen über 120’000 Schlafplätze zusammen.
Unsere Telefonlinie wurde mit Anfragen geflutet und wir wurden von den Medien überrannt. Das Campax-Team beobachtete diese Solidaritätswelle mit gemischten Gefühlen. Einerseits waren wir berührt von der Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit. Andererseits war klar, dass dieses Projekt das grösste werden würde, das Campax je umgesetzt hatte. Aus diesem Grund wurden neue, qualifizierte Personen ins Team geholt. Sie entwickelten Software und Datenbanken, um einen sicheren und effizienten Umgang mit den Informationen zu gewährleisten. Das entwickelte Tool, welches das Angebot an Unterkünften mit der Nachfrage seitens geflüchteter Menschen abglich, wurde in sechs Bundesasylzentren und später von zahlreichen Kantonen genutzt. Wichtig war auch, eine ukrainische Person ins Team zu holen: Victoria widmete sich der Kommunikation mit den Geflüchteten über diverse Kanäle, Übersetzungen sowie der psychologischen Betreuung.
Die Zusammenarbeit mit Behörden und Kantonen, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und dem Staatssekretariat für Migration war eng, intensiv und zum Teil komplex. Aus der Bevölkerung schlug uns viel Frust und Unverständnis für die langsamen Vermittlungen entgegen. Für das Team war das Projekt kräftezehrend, denn der Krieg ging uns emotional nahe und wir standen unter Druck, ein Projekt in einem uns eher unbekannten Fachbereich zum Laufen zu bringen und aufrechtzuerhalten. Dies erfordert Flexibilität und die schnelle Aneignung neuer Kompetenzen.
Während des ganzen Jahres haben wir Projekte für Geflüchtete aufgegleist und organisiert:
- Im Rahmen einer Willkommenskultur konnte unsere Community Jasskarten bestellen. Diese Aktion hatte zwei Grundgedanken: Wir wollten eine niederschwellige Form des Zusammenlebens von hier ansässigen Menschen und Geflüchteten mit Spielkarten fördern. Und wir sind überzeugt, dass die Solidarität, die die Menschen aus der Ukraine erfuhren, allen Geflüchteten zuteil werden soll. Deshalb erhielten Besteller*innen der Jasskarten zusätzlich Flyer zur Sensibilisierung zum Thema.
- Mit einer Petition haben wir gefordert, dass alle Ukrainer*innen mit Status S von vergünstigten ÖV-Ticketpreisen profitieren können. Das Anliegen hat über 5’500 Unterschriften gesammelt und wurde im Sommer in Bern überreicht.
- Victoria organisierte im Sommer diverse Events für Geflüchtete. Von psychologischer Unterstützung über regelmässig stattfindende Kunsttherapie-Kurse bis hin zu Tanzanlässen und Wanderungen in der Natur, die die Integration der Geflüchteten in ihrem neuen Umfeld unterstützten, war alles dabei.
- Wir organisierten wöchentliche Webinare als Hilfestellung für die Integration der Geflüchteten und unterstützten Geflüchtete bei der Bewältigung von Angstzuständen.
- Im Zusammenhang mit dem am 19. November stattfindenden Flüchtlingsparlament 2022 haben wir breit abgefragt: Was sind vorbildliche Projekte, die die Integration von Geflüchteten ermöglichen? Welche Massnahmen im Schweizer Asylwesen sollten dringend verbessert werden? Über mehrere Wochen hatten Einzelpersonen und Organisationen die Möglichkeit, Vorschläge einzureichen.
- Wichtig ist für Campax, dass die Events allen Geflüchteten, unabhängig von ihrer Herkunft, offenstanden.
Per Ende 2022 haben wir das Projekt abgeschlossen und definitiv in die Obhut der Kantone und der SFH übergeben. Wir danken allen Menschen, die sich bereit erklärt haben, im Rahmen dieses Projekts Geflüchtete bei sich aufzunehmen; wir danken unseren Partnern SFH und SEM sowie den Kantonen, mit denen wir zusammenarbeiten konnten; und wir danken von Herzen all den grosszügigen Spender*innen sowie der Otto Erich Heynau-Stiftung, die mit ihrer finanziellen Unterstützung dieses Projekt ermöglicht haben.
Klimafreundlicher Finanzplatz Schweiz
Schweizerische Nationalbank (SNB)
Zum Jahresbeginn war die Neuwahl des SNB-Direktoriumsmitgliedes Fritz Zurbrügg zentral. Mit unseren Koalitionspartnern sowie der Grünen Partei forderten wir vom Bundesrat und dem SNB-Bankrat, eine “klimafreundliche” Person ins Direktorium zu wählen. Leider blieb diese Forderung ungehört.
Während der Generalversammlung der SNB hielten Aktivist*innen im Saal kritische Voten und suchten das Gespräch mit dem Direktorium. Andere Aktivist*innen machten vor dem Gebäude mit Bannern und Flyern auf sich aufmerksam. Die Präsenz wurde in den Medien breit rezipiert. Darauf folgte die “Volksversammlung zur Nationalbank”, bei der die Zivilbevölkerung eingeladen war, über den Kurs der Bank zu debattieren. Im Vorfeld der GV riefen wir unsere Community auf, “Memes” zum klimaschädlichen Kurs der SNB zu schicken. Die Besten wurden im Zürcher Hauptbahnhof auf E-Panels ausgestrahlt.
Das Direktorium beziehungsweise dessen Präsident Thomas Jordan stand im Mittelpunkt einer Kampagne, die Anfang Oktober startete. In einer Reihe von Aktionen appellierten wir an die Verantwortung des Präsidenten, die Investitionen der SNB mit dem 1.5 Grad-Pfad in Vereinbarung zu bringen.
Parallel dazu trieben wir unsere kantonale Kampagne voran: Die Kantone als Hauptaktionäre müssen sich für eine klimafreundliche SNB stark machen. Als Reaktion auf die Petitionen der “Tour de Climat” (2021) haben die Kantone Jura, Basel-Stadt und Genf dem SNB-Direktorium einen Brief geschrieben und sich für eine klimafreundliche Anlagestrategie ausgesprochen. Das Zürcher Kantonsparlament hat mit der Überweisung einer Motion dasselbe von seiner Regierung verlangt. Ende September haben wir nochmals allen kantonalen Finanzdirektor*innen einen Brief geschrieben und auf die 2021 eingereichten Petitionen hingewiesen. Im Herbst und Winter haben wir dann noch drei offline Aktionen (zwei Proteste und ein Postkartenversand) und eine online Aktion (Email-Aktion) umgesetzt.
Versicherungen
Zu Beginn des Jahres stand die Swiss Re im Fokus. Wir wussten, dass sie im Frühjahr Policy-Updates veröffentlichen würde und baten unsere Email-Abonnent*innen in zwei Online-Aktionen, Druck auszuüben. Es hat gewirkt: Mitte März kündigte Swiss Re an, künftig den meisten Öl-, Gas- und Kohleprojekten die Versicherung zu verweigern. Im April doppelten wir an der GV mit einer künstlerischen Aktion nach, um zu zeigen, dass ihre Klimapolitik noch nicht mit dem 1.5 Grad-Pfad vereinbar ist.
Die Zurich Versicherung verbesserte ihre Klimapolicy letztmals 2021, aber nur geringfügig. Gleichzeitig nimmt sie in Anspruch, führend in Sachen Klimaschutz zu sein. Auf dieses Greenwashing weisen wir unablässig hin. Am “Green Economy Symposium” störten wir deshalb eine Podiumsdiskussion. Am Vortag der GV segelten wir mit einem riesigen, schwimmenden Banner zum Hauptsitz der Zurich beim Hafen Zürich Enge. Im September folgte ein dezentraler Aktionstag und im Oktober veröffentlichten wir ein Video zum Thema.
Die Helvetia Versicherung forderten wir mit einer Protestaktion und erfolgreicher Medienarbeit auf, aus Kohleprojekten auszusteigen. Es folgten eine Plakatkampagne rund um ihren Hauptsitz sowie eine Postkarten-Aktion. Der Druck wirkte: Die Helvetia gab bekannt, aus Kohle auszusteigen und stellte auch eine Öl- und Gas-Policy in Aussicht. Mit allen drei Versicherungen sind wir in direkten Gesprächen, um im Dialog auf einen klimafreundlichen Kurs hinzusteuern.
Privatbanken
Die UBS und die Credit Suisse finanzieren die Öl-, Gas- und Kohle-Industrie. Das machen sie auch in Russland. Zu Beginn des Kriegs in der Ukraine gaben wir eine Recherche dazu in Auftrag und organisierten einen Workshop. Am Tag der GV der UBS legten wir mit einer Aktion in Zürich nach. Die GV der Credit Suisse störten wir mit einer Aktion auf dem Paradeplatz, indem wir die Bank als sinkendes Schiff darstellten. Im Vorfeld riefen wir Aktionär*innen zum Handeln auf: Wir baten sie, kritische Fragen an der GV einzureichen sowie die Klima-Resolution unserer Partnerorganisation Shareaction zu unterstützen. Das Engagement wirkte: Mit knapp 20% Zustimmung wurde die Resolution zwar abgelehnt, erhielt aber im Vergleich zu anderen Klimaresolutionen eine hohe Zustimmung.
Im Herbst starteten wir den “Klima-Pledge”. Gemeinsam mit Kontoinhaber*innen der zwei Banken wollen diese auf einen klimafreundlichen Kurs bringen. Die Unterzeichner*innen drohen mit einem Kontowechsel, sollten die Banken nicht umschwenken.
Im Oktober unterstützten wir die “Stop Fracking”-Tour, in deren Rahmen Indigene aus den USA auf die zerstörerische Wirkung dieser Ölgewinnungsmethode hinweisen. Gemeinsam mit Partnerorganisationen organisierten wir dazu eine Aktion vor der CS auf dem Paradeplatz. Im Herbst starteten wir auch die Mittwochsaktionen zur CS. Bis zur GV im Frühjahr 2023 sind wir jeden Mittwoch auf dem Paradeplatz und verlangen von der CS, dass sie den Ausbau fossiler Energie nicht weiter finanziert.
Gleichstellung
Das Thema Gleichstellung wird für die Arbeit von Campax immer wichtiger. Anfang Mai erinnerten Aktivistinnen von Campax anlässlich der nationalrätlichen Sondersession an die Ungerechtigkeit des zu hohen Mehrwertsteuersatzes auf Monatshygieneprodukte. Mit einem riesigen Tampon sorgten wir vor dem Bundeshaus für Aufsehen. Seit 2019 arbeitet Campax auf dem Thema und sieht die Steuerreduktion als einen wichtigen Schritt gegen die ungleiche Behandlung menstruierender Personen in der Schweiz.
Kurz darauf organisierten wir eine Demo mit über 1000 Menschen zum Sexualstrafrecht in Bezug auf gegenseitiges Einverständnis bei sexuellen Handlungen. Campax fordert, dass die "Nur Ja heisst Ja"-Lösung im Parlament umgesetzt wird. Campaignerin Armelle Ako hielt eine Rede an der Demonstration. Mittlerweile ist klar, dass das Parlament auf die Alternativlösung “Nein heisst Nein” setzen will, allerdings werden einige unserer Forderungen für mehr Ressourcen für die Täterarbeit in den Lösungsvorschlag bei der Revision der Gesetzgebung einfliessen.
Ebenfalls im Sommer lancierten wir zusammen mit der Vorkämpferin für die Fristenlösung, Therese Blöchlinger, und der Organisation Sexuelle Gesundheit Schweiz eine Petition. Die Forderung ist, dass die Abtreibung nicht mehr nur straffrei möglich ist, sondern aus dem Strafgesetz gestrichen wird.
Anlässlich der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen lancierten wir eine Petition dafür, dass Feminizide als solche von offizieller Stelle auch benannt werden. Begleitend dazu machten wir mit einer Plakatkampagne auf die Auswirkungen von männlicher Gewalt aufmerksam.
Rapid Response
Die Rapid Response ist das Herzstück der Arbeit von Campax. Rapid Response bedeutet, dass Campax sofort auf wichtige Geschehnisse reagiert und Menschen mobilisiert: Sei es für eine Hilfsaktion wie #StandWithUkraine, für eine dringende Petition oder eine andere Aktion.
Gleich zu Beginn des Jahres forderten wir die PostFinance auf, das Konto des Rechtsextremisten Martin Sellner zu sperren. Die Petition mit über 6’500 Unterschriften und die anschliessende Twitter-/Emailaktion zeigten innerhalb von weniger als einer Woche die erhoffte Wirkung.
Im Februar erreichte die Petition “Wir wollen kein Gentech-Food” innert kurzer Zeit tausende Unterschriften und unsere Forderung an Migros und Coop wurde schweizweit von den Medien beachtet. Ebenfalls im Februar überreichten wir die Petition “Steuerschlupflöcher für die Reichen und Mächtigen schliessen”, die Ende 2021 im Zuge der Enthüllungen der “Pandora Papers” lanciert wurde.
Mitte Jahr, als Bundesrätin Viola Amherd den Kauf der F-35 Kampfjets zügig vorantrieb, ohne auf ein mögliches Zustandekommen einer Volksinitiative abzuwarten, das genau dieses Ansinnen vereiteln wollte, reagierte Campax ebenfalls schnell mit einer Medienmitteilung. Anschliessend wurde Campaignerin Virginia Köpfli in die Sendung Talk Täglich von Tele Züri eingeladen und konnte unsere Position öffentlichkeitswirksam vertreten.
Im September unterstützten wir den Klimastreik bei der Übergabe ihrer Petition “Keine Erdölparty im KKL Luzern”, bei der Medienarbeit und bei der Mobilisierungsarbeit für die Klimademonstration. Viel Organisationsarbeit wurde hinter den Kulissen geleistet – und es war gute Arbeit: Die Aktion, bei der Aktivist*innen die Fassade des KKL Luzern hochkletterten, hatte ein regionales und nationales Medienecho. Genau das ist das Ziel solcher Aktionen: Öffentliche Aufmerksamkeit für dringende gesellschaftliche Themen.
Praktisch zeitgleich wie auf die “Erdölparty” reagierten wir gemeinsam mit Nationalrat Fabian Molina, der kurdischen Gemeinschaft in der Schweiz und der JUSO auf Erdogans Kriege und Kriegstreiberei im Nordirak und Nordsyrien.
Nach dem gewaltsamen Tod der Iranerin Mahsa Amini Mitte September und den darauf folgenden Protesten solidarisierten wir uns im Rahmen einer kurzfristig organisierten Aktion vor der iranischen Botschaft mit den Menschen im Iran. Mit Plakaten unterstützten wir die Forderungen der Protestierenden, allerdings wurden wir aufgrund der fehlenden Bewilligung für die Protestaktion von der Berner Polizei weggewiesen und gebüsst.
Wir haben zu Beginn der Klimakonferenz COP-27 in Ägypten eine E-Mail Aktion lanciert, gerichtet an die bekannten Vertreter*innen der Schweizer Delegation: Umweltbotschafter Franz Perrez und Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Vorsteherin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). Wir forderten sie auf, sich an der COP öffentlich zur Menschenrechtssituation in Ägypten zu äussern. Unser Hauptargument: Wirksamer Klimaschutz kann nur gemeinsam mit einer aktiven und kritischen Zivilbevölkerung umgesetzt werden. Die Aktion funktionierte gut, das UVEK reagierte und wir hatten direkten Kontakt mit Franz Perrez, der uns versicherte, dass er das Thema behandeln würde. Darauf folgte ein unklarer, aber immerhin öffentlicher Tweet von Frau Sommaruga. Wir haben darauf wieder per Twitter-Aufruf reagiert. Ebenso produzierten wir am Herbstfest ein Video mit Mitgliedern der Community, das die Mailaktion nochmals pushte.
Eidgenössische Abstimmungen 2022
Frontex (15. Mai)
Am 15. Mai stimmte die Schweiz über die Mitfinanzierung der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex ab. Campax ist der Ansicht, dass Frontex als Behörde äusserst problematisch ist. Besonders die illegalen Pushbacks im Mittelmeer und die Weigerung des Frontex-Direktor Fabrice Leggeri, Vorwürfe extern untersuchen zu lassen, sind gewichtige Argumente dafür, dass die Schweiz Frontex finanziell nicht unterstützen sollte.
Für Campax ist das EU-Migrationsregime inakzeptabel: Im Herbst 2021 wurden in Osteuropa Menschen aus dem Nahen Osten rassistisch motiviert zurückgepusht, zum Teil mit tödlichen Folgen. Europäische Politiker*innen und Leggeri stellten sich damals hinter das brutale Vorgehen der polnischen und litauischen Sicherheitskräfte. Es braucht sichere Migrationsrouten für alle und zwar immer! Doch die europäische Grenzschutzagentur Frontex investiert Geld, das sie auch von der Schweiz erhält, in ihre Militarisierung. Besser wäre, wenn das Geld in Infrastrukturen fliessen würde, die ein würdiges Leben für alle Geflüchteten garantiert.
Gegen die Mitfinanzierung von Frontex mit Schweizer Geldern wurde das Referendum ergriffen. Um das Referendum zu unterstützen und für ein Nein zu Sorgen, haben wir die grossen SBB Screens in Bahnhöfen in allen Sprachregionen mit einem Video bespielt. Leider wurde der Finanzierung von Frontex mit 71,5% zugestimmt. Wir sind von diesem Resultat sehr enttäuscht und hoffen, dass die Schweizer Solidarität mit Geflüchteten und Migrant*innen aller Herkunft in Zukunft grösser wird.
AHV21 und MTI (25. September)
Für die beiden Abstimmungen zur AHV Revision (AHV21) und zur Massentierhaltungs-Initiative (MTI) bezog Campax klar Stellung: Ein Nein zur Sanierung der Altersvorsorge auf dem Buckel der Frauen und ein Ja für das Tierwohl. Ausdruck haben wir diesen beiden Parolen mit einem riesigen, 5x20 Meter grossen Banner verliehen, das wir in der Schöllenenschlucht auf der Teufelsbrücke ausgerollt haben. Darauf war der provokative Text: “Der Pakt mit dem Teufel #geldundgülle” zu lesen.
Dass wir unsere Haltung zu beiden Vorlagen auf einmal sichtbar machten, kam nicht von ungefähr: Mit der Aktion machten wir auf den Hinterzimmerdeal aufmerksam, den der Wirtschaftsverband economiesuisse und der Bauernverband für die Abstimmungen eingefädelt hatten. Die economieusisse unterstützte die Nein-Parole der Bauern hinsichtlich der MTI, dafür stimmten die Bäuer*innen Ja bei der AHV-Vorlage.
Während der Aktion machten wir Fotos und drehten ein Video, das später als Erklärvideo zum Hinterzimmerdeal via Email und Social Media Mobilisierungs-Tool (dem sog. Mobilisr) verbreitet wurde. Über 22’000 Views stellten die Qualität des Videos unter Beweis. Abgerundet wurde das ganze von einer Medienmitteilung.
Leider entschied das Stimmvolk am 25. September zweimal anders, als Campax sich das erhofft hatte. Während die MTI von Anfang an einen schweren Stand hatte und ein Nein sich früh abzeichnete, war das Ergebnis bei der angenommenen AHV Reform deutlich knapper.
Strategie & technologische Entwicklung
Grundsätzlich hat sich die Strategie wenig geändert. Flexibilität ist weiterhin ein zentrales Element unserer DNA. Diese haben wir auch erneut gelebt, indem wir die Arbeit für Geflüchtete so rasch ins Zentrum gerückt haben und die Arbeit an der Klimakampagne etwas reduziert und anders aufgestellt geleistet wurde. Die Kombination von Agilität, technischer Raffinesse und Reichweite bzw. zielgruppengerechter Ansprache von Unterstützer*innen ist und bleibt unser stärkster Trumpf.
Die wichtigste sichtbare technische Neuerung 2022 war die Lancierung unserer neuen Website im Herbst. Hinter den Kulissen haben wir vor allem an unseren Fähigkeiten für Mehrkanal-Kommunikation gearbeitet und immer Kampagnen auch über SMS gepusht. Da es mittelfristig absehbar ist, dass unsere zentrale Datenbank ans Ende ihrer Lebenszeit kommen wird, haben die Planungsarbeiten für weitere Entwicklungen begonnen. Dabei werden Elemente wie die Einrichtung eines Data Warehouse und die weitere Diversifizierung der Kommunikationskanäle im Zentrum stehen.
Besondere Herausforderungen 2022
Die grösste Herausforderung für Campax war die Bewältigung des gewaltigen Wachstums in kurzer Zeit. Binnen zwei Wochen haben wir das Team von 18 auf 36 Personen verdoppelt. Dies war anspruchsvoll in logistischer Hinsicht, aber auch für das Team. Aufgrund grosszügiger Stiftungszusagen für die Klimakampagne war ein gewisses Wachstum schon geplant, aber eben nicht so viel und so schnell. Eine Folgeherausforderung war dann auch das Einleiten eines Schrumpfungsprozesses, da eine Normalisierung im zweiten Halbjahr anstand und zu vollziehen war. Die damit verbundenen Unsicherheiten so gering wie möglich zu halten, war für das Leitungsteam eine zentrale Aufgabe. Nur dank dem vollen Einsatz des Teams und vielen weiteren Stakeholdern, Freiwilligen und Sponsoren war der beschriebene Aufwuchs überhaupt zu bewältigen. Deshalb gilt ihnen auch unser grosser Dank!
Plattformen
ACT
Im Jahr 2022 wurden auf der Petitionsplattform ACT by Campax 310 Petitionen gestartet. Sie sammelten insgesamt 420’690 Unterschriften für die unterschiedlichsten Anliegen. Von kleinen, lokalen Vorstössen bis zu nationalen oder gar international relevanten Themen war alles dabei. Besonders erwähnen möchten wir folgende Petitionen:
- Menschen aus progressiven Kreisen und Parteien haben eine Kampagne gestartet, um russischen Deserteur:innen Asyl zu gewähren. Campax hat sie unterstützt und begleitet. Nach ca. zwei Monaten wurden über 6'500 Unterschriften in Bern übergeben. Das Anliegen fand grosses Echo in den Medien, insbesondere in der Romandie. Die Petition war ein Musterbeispiel für die Zusammenarbeit zwischen dem ACT-Team von Campax und den Petitionsstarter*innen und die Medienarbeit war hervorragend.
- Die Petition “Feuerwerk für Private verbieten” wurde zwar bereits 2021 gestartet, doch fand sie in der Neujahrszeit richtig viel Gehör. Mehr als 22'000 Unterschriften haben wir im Mai in Bern überreicht. Um die Bedeutung des Themas insbesondere für die Tiere zu verdeutlichen, wurden während der Übergabe zahlreiche Stofftiere vor die Bundeskanzlei gelegt. Dass das Anliegen Gewicht hat, zeigt sich auch durch die auf COLLECT by Campax laufende Unterschriftensammlung für eine eidgenössische Volksinitiative, die die Nutzung von Feuerwerk einschränken will.
- Mit 57'800 Unterschriften für die Petition ‘Keine Playoffs im Schweizer Fussball’ konnte die Einführung von Playoffs verhindert werden. Die Petitionsstarter*innen haben fleissig online und offline und sogar in Schweizer Fussballstadien Unterschriften gesammelt.
COLLECT
2022 war für Collect ein Jahr mit vielen kleinen und grösseren Herausforderungen. Insgesamt konnten wir 79’326 Unterschriften online für Initiativen und Referenden sammeln. Zurückgeschickt für die tatsächliche Verarbeitung werden immer noch ca. 25 Prozent. Wir arbeiten weiter daran, diese Quote zu erhöhen. Unsere Erinnerungen sollen spezialisierter verschickt werden. Im nächsten Jahr wird es unser Ziel sein, einen Prozess auszuarbeiten, um das Scannen der Unterschriftenbogen zu den Komitees zu verlagern und kleinere technische Fehler zu beheben. Weiter wollen wir mehr (online) Events veranstalten, um den Diskurs unterschiedlicher Initiativ-Themen zu beleuchten. 2022 wurden unter anderem folgende Initiativen und Referenden auf Collet unterstützt: Die Feuerwerksinitiative mit der Forderung eines Verbotes für den Gebrauch von Knallkörpern durch Privatpersonen, die städtische Uferschutz-Initiative für die Stadt Zürich oder etwa die Pelz-Initiative, die ein Verbot des Pelzimports fordert.
beUnity
Im Juni 2022 haben wir beUnity neu in der Campax-Community eingeführt. Die Community Plattform ist neu der Ort, wo wir uns alle vernetzen, austauschen und gemeinsam Projekte und Aktionen planen. Wir teilen Neuigkeiten, Aktionsaufrufe, Anfragen oder Informationen in Gruppen. Wenn wir alle unser Wissen, unsere Erfahrungen und Ideen teilen, kommen wir in unsere volle Stärke und können unsere Ziele gemeinsam erreichen. Wir haben elf aktive, thematische Gruppen in der Community.
Swissleaks
Die wichtigste Neuerung bei Swissleaks betrifft eine Stellenbesetzung: Neu ist Léa Tchoumi bis April 2023 bei Campax für die Betreuung der Plattform und die Weiterentwicklung der Kampagnen zum Thema zuständig. Nebst ihrem Auftrag, die Plattform schweizweit bekannter zu machen, knüpft Léa Kontakte und sorgt für eine gute Vernetzung der an Whistleblowing interessierten Organisationen in der Schweiz. Ferner bekam Swissleaks einen neuen Webauftritt und soll weiterhin als Kanal für Whistleblower*innen in der Schweiz zugänglich sein. Zuletzt ist die Planung und Organisation einer schweizerischen Konferenz zum Thema ein mittelfristiges Ziel. 2022 gab es keine nennenswerten Fälle, die uns über die Plattform zugespielt wurden. Ein Ziel für die Zukunft wird weiterhin sein, die Plattform für HInweisgeber*innen in der Schweiz bekannter zu machen.
Community Wednesdays
Von Juni bis August führten wir regelmässige Community Wednesdays durch. Das sind Events zu verschiedenen Themen, die zum Teil offline vor Ort und mit Nachtessen und zum Teil online stattgefunden haben. Input kam von Campaigner*innen, Expert*innen und von den Teilnehmer*innen selbst. Seit September finden die Events nur noch unregelmässig statt. Das Ziel der Treffen ist, das Engagement der Menschen in der Campax-Community zu intensivieren, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken sowie die gemeinsame Weiterbildung.
2. Campax Herbstfest
Am 10. November 2022 ging das 2. Campax Herbstfest an der Hermetschloostrasse 70, im Campax-Büro über die Bühne. Die Veranstaltung wurde von 51 Personen besucht (Gäste, Team und Vorstand von Campax). Während der Veranstaltung gab es mehrere Präsentationen zu vier verschiedenen Themen: Campax als Organisation; Erklärungen zu Kampagnen; Erklärungen zur Community; und die Geschichte von Campax. Abschliessend wurden Informationen über die Pläne für 2023, die Bedeutung der Wahlen und die Bedeutung des Engagements unserer Unterstützer*innen für die Erreichung der Ziele von Campax ausgetauscht. Abgerundet wurde das Fest mit einem Apéro riche und gemütlichem Beisammensein. Wir danken allen Teilnehmer*innen für ihr Kommen und hoffen, dass bei der nächsten Ausgabe noch mehr Menschen den Weg zu uns finden.
Team
Letztes Jahr hat sich die Grösse unseres Teams verdoppelt. Einerseits haben wir eine neue Organisationsstruktur umgesetzt, die sich auf die Anstellungen 2022 auswirkten: Wir haben eine Co-Geschäftsleiterin, Organizer*innen sowie eine weitere Person für Fundraising gefunden. So haben wir mehr Ressourcen in die Organisationsentwicklung, die Arbeit mit der Community und die Mittelbeschaffung investiert. Das Ziel ist, dass unsere Organisation Stabilität findet und von Wachstumschancen profitieren kann. Andererseits mussten wir auch viel Personal befristet anstellen, um zwei sehr grosse Projekte, #StandWithUkraine und Klimafreundlicher Finanzplatz Schweiz, umsetzen zu können.
Als Teil der Organisations- und Teamentwicklung haben wir im August 2022 eine zweitägige Retraite im Naturfreundehaus Tscherwald (Amden SG) organisiert. Wir konnten eine ambitionierte Vision für Campax skizzieren, Ideen für 2023 sammeln und das Teamgefühl stärken. Seitdem beschäftigen wir uns u.a. mit der Diskussionskultur im Team, der Etablierung der Bereichsleitung-Positionen und der Förderung der Kreativität innerhalb unserer Arbeitsprozesse.
Vorstand
An der Generalversammlung am 20. Juni 2022 wurden mit Itziar Marañón, Matthias Toffol, Perla Ciommi und Thomas Meyer gleich vier neue Personen in den Vorstand gewählt.
Per Ende 2022 setzt sich der Vorstand von Campax wie folgt zusammen: Benjamin Zumbühl, Vereinspräsident von Campax, Geschäftsführer VCS Kanton Bern, Aktivist und Velo-Enthusiast; Tina Musil, Aktivistin, Leiterin Fundraising bei Campact; Balthasar Glättli, Nationalrat der Grünen, Inhaber Politbüro Kampagnen&Webdesign, Präsident der Grünen Partei Schweiz; Itziar Marañón, Co-Geschäftsleiterin von Campax, Feministin, Journalistin; Andreas Freimüller, Gründungsmitglied und Co-Geschäftsleiter von Campax, Kampagnenprofi; Perla Ciommi, Filmemacherin, Kommunikationsprofi; Matthias Toffol, Finanzexperte, Zukunftsvisionär.
Von ihrem Vorstandsamt zurückgetreten sind 2022 Thomas Meyer, Anja Burger Lukičić, Marika Schaeren, Marudit Tagliaferri und Payal Parekh. Für ihren Einsatz in den vergangenen Jahren danken wir ihnen von Herzen.
Fundraising und Finanzen
Wir danken den 11’909 Menschen herzlich, die Campax im Jahr 2022 mit Spenden unterstützt haben! Spender*innen, Vereinsmitglieder, Change-maker und Klima-Pat*innen ermöglichen die Arbeit von Campax. Im Jahr 2022 haben wir 1’048’272,33 Schweizer Franken (brutto) an kleinen und mittelgrossen Spenden erhalten – vielen herzlichen Dank!
Besonders zu erwähnen ist der Monat März, in dem wir für unser Ukraine-Projekt Spenden gesammelt haben: 329’040.- Franken sind ein absoluter Rekordmonat für Campax. Demgegenüber sind die Spendeneinnahmen im Sommer deutlich zurückgegangen und auch im Herbst konnte das Niveau des ersten Halbjahres nicht erreicht werden.
Von allen Spenden sind knapp 40% frei verwendbar. Die Petitionsplattform ACT generierte 2022 gut 5% der Spendenerträge. Damit sind Betrieb und Betreuung der Plattform sowie die Unterstützung von Petitionsstarter:innen durch das ACT-Team nach wie vor abgesichert. Die wichtigsten Spendenkampagnen, deren Gelder zweckgebunden sind, waren 2022 folgende Kampagnen:
- #StandWithUkraine, Unterbringung ukrainischer Geflüchteter bei Privatpersonen (35,94% aller Spenden)
- Klimafreundlicher Finanzplatz Schweiz (5,42% aller Spenden)
- Gleichstellung (2,33% aller Spenden)
- Abstimmung AHV Revision (AHV21; 2,62% aller Spenden)
- Abstimmung Massentierhaltungsinitiative (MTI; 1,74% aller Spenden)
Zusätzlich konnte Campax auf die Unterstützung von Stiftungen zählen: Die Kampagne zum klimafreundlichen Finanzplatz Schweiz wurde von The Sunrise Project, der Stiftung Corymbo sowie der Stiftung Temperatio mit Total 365’384.- CHF unterstützt. Das Ukraine-Projekt wurde durch die Otto Erich Heynau-Stiftung mit einem Beitrag von 50’000.- CHF mitfinanziert. Mit 28’839.- CHF hat die Fondation Charles Léopold Mayer pour le progrès de l’homme das Whistleblowing-Projekt SwissLeaks unterstützt. Die restlichen Mittel von Stiftungen betreffen Gelder, die nach Abschluss von Projekten des Jahres 2021 ausbezahlt wurden.
Des Weiteren hat Campax im Jahr 2022 ausnahmsweise staatliche Unterstützungsgelder akzeptiert. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) sowie die Kantone, die unsere Leistungen im Rahmen des Ukraine-Projekts in Anspruch nahmen, zahlten insgesamt 816'991.- CHF an Campax. Die Auszahlungen erfolgten gemäss Leistungsverträgen, die per Ende 2022 ausgelaufen sind. Grundsätzlich gilt aber nach wie vor: Campax nimmt keine staatlichen Gelder oder Sponsorings von Firmen an, um unabhängig zu bleiben.
Alle diese Beiträge führten zu kumulierten Einnahmen von 2’299'586.- Schweizer Franken. Das Gesamtergebnis ist aussergewöhnlich und steht in engem Zusammenhang mit dem Projekt für die geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Besonders relevant ist für Campax, dass die Spendeneinnahmen, die ohne das Ukraine-Projekt erzielt wurden, stabil blieben.
Wir danken allen Spender*innen und Stiftungen für ihre grosszügigen und wertvollen Beiträge im Jahr 2022.
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