90% aller Geschäftsmodellinnovationen kombinieren bestehende Ideen von anderen Industrien. Wir zeigen, wie Unternehmer dieses Potenzial nutzen können, um digitale Geschäftsmodellinnovationen zu entwickeln.
“Wandel ist die einzige Konstante”
Die Fähigkeit, innovative Geschäftsmodelle zu konzipieren, ist der Schlüssel, um in der heutigen, globalen Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben [5]. In unserem schnelllebigen Zeitalter können neue Technologien bestehende Geschäftsmodelle innerhalb kurzer Zeit ersetzen, Wachstum verhindern und die eigene Einkommensquelle obsolet werden lassen. Gleichzeitig entstehen dadurch besonders für KMUs Wettbewerbsvorteile. Deshalb möchten wir euch im folgenden theoretischen Grundlagen kombiniert mit effizienten Tools zur Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle vorstellen.
Was ist ein digitales Geschäftsmodell?
Ein digitales Geschäftsmodell ist ein Plan, wie ein Unternehmen seine Produkte und Dienstleistungen vermarktet, Geld verdient und langfristig Gewinne erzielt. Dabei greift es auf digitale Technologien zurück [6]. Diese Technologien reichen von E-Commerce-Plattformen über Big-Data-Analyse bis hin zu Sozial-Media-Marketing. Der Wert, also der USP, wird mit der digitalen Technologie hergestellt, auch die Kundengewinnung und der Vertrieb können digital erzeugt werden. Genauso wie ein Geschäftsmodell beinhaltet auch ein digitales Geschäftsmodell vier wichtige Elemente [2]:
- Wer sind unsere Kunden?
- Welche Produkte bietest du dem Kunden an?
- Wie wird das Wertversprechen hergestellt?
- Wie wird Profit gemacht?
Exemplarisch können diese vier Elemente in der Musikindustrie so beschrieben werden
- Kunde sind alle Musikhörer (Wer?)
- Das Produkt ist das Erlebnis “Musik hören” (Was?).
- Der Kunde streamt die Musik über eine digitale Plattform (Wie?).
- Das Unternehmen erwirtschaftet Profit über ein Abo Modell, Kundendaten und Affiliate-Marketing (Warum?)
Digitaler Wert entsteht in diesem Beispiel über eine E-Commerce Plattform. Die Kundengewinnung und der Vertrieb werden über Sozialmedia erzielt. Der USP für den Kunden ist der permanente Zugriff auf eine große Musikbibliothek unabhängig von Zeit und Ort, wahlweise ohne Werbung.
Disruption: Technologien als Change Driver
Der Begriff „Disruption“ leitet sich von dem englischen Wort „disrupt“ (also „zerstören“, „unterbrechen“) ab. Damit ist ein Prozess gemeint, bei dem ein gesamter Markt durch eine stark wachsende Innovation abgelöst beziehungsweise „zerschlagen“ wird (Quelle). Im Beispiel aus der Musikindustrie ist dies bereits mehrmals erfolgt. Die neue Technologie der CD hat die Kassette abgelöst und vom Markt verdrängt. Einige Jahre später entwickelte Steve Jobs den iPod und ITunes. Die Möglichkeit, Musikbibliotheken digital zu erstellen, revolutionierte wiederum den Musikmarkt, bis YouTube und schließlich Spotify dauerhaftes Musikstreaming ermöglichten. Über Jahrhunderte hinweg ist das Bedürfnis des Menschen Musik zu hören gleich geblieben, geändert hat sich die Technologie und das Geschäftsmodell. Folglich ist der Treiber digitaler Geschäftsmodelle nicht die Technologie selbst, sondern die Erfahrung des Kunden.
Wettbewerbsvorteil KMU
Während große Unternehmen auf komplexe Strukturen und Prozesse angewiesen sind, können KMUs schnell auf neue Ideen und Innovationen reagieren und flexibel handeln [4]. Die Tatsache, dass es in der Regel weniger Bürokratie, weniger alte IT-Systeme, Software- und IT Dienstleistungen als Pay-per-Use -Modelle und kürzere Genehmigungsverfahren gibt, bedeutet schneller und agiler handeln zu können. Darüber hinaus stellen wir in unseren Workshops einen Werkzeugkasten vor, der es ermöglicht, mit wenig Aufwand das Potenzial einer neuen Geschäftsidee zu testen. So kann die Hürde von finanziellen Barrieren und knappe Personalressourcen bei KMUs überwunden werden. Damit bleibt das größte Risiko für kleine Unternehmen nichts zu tun und sich den marktdynamischen Einflussfaktoren auszuliefern
Key Takeaway: Der Treiber digitaler Geschäftsmodelle ist nicht die Technologie selbst, sondern die Erfahrung des Kunden, dabei ist Das größte Risiko bei der digitalen Transformation ist nichts zu tun
Wie bring ich die PS auf die Straße?
Konzentriere dich auf dein Problem-Solution Fit
Am Beispiel aus der Musikindustrie haben wir erläutert, dass der Treiber digitaler Geschäftsmodelle nicht die Technologie selbst ist, sondern die Erfahrung des Kunden. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich als erstes auf das Kundenerlebnis zu fokussieren und das Problem des Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Unsere Aufgabe als Unternehmen ist es, mit unseren Produkten und Dienstleistungen für das Problem die bestmögliche Lösung anzubieten. So entsteht ein Problem-Solution Fit, den wir als Wettbewerbsvorteil nutzen können. Voraussetzung hierfür ist, dass wir unsere Zielgruppe kennen.
“People don’t want to buy a quarter-inch drill. They want a quarter-inch hole.”
Wenn wir als Kunde im Baumarkt stehen und nach einem Bohrer suchen, dann ist unser Problem nicht der fehlende Bohrer, sondern zum Beispiel ein Loch in der Wand, um ein Bild aufzuhängen. Dieses Beispiel zeigt, dass es sich lohnt, das Kundenproblem bis in die Tiefe zu verstehen. Als Werkzeug bietet sich hierfür der Value Proposition Canvas an. Dabei analysieren wir zuerst auf der rechten Seite unser Kundenproblem. Nach Clayton M. Christensen können wir uns das Problem und das Finden der passenden Lösung auch als unseren Job-to-be-done vorstellen. In unserem Beispiel ist der Job-to-be done "ein Bild an der Wand aufhängen". Anschließend richten wir den Blick auf die linke Seite und schauen, mit welchen Lösungen wir als Unternehmen das Problem lösen. Wie wir zu diesem Ziel kommen, kann mit unterschiedlichen Technologien und unterschiedlichen Geschäftsmodellen erfolgen.
Mit der Fertigstellung des Value Proposition Canvas haben wir ein klares Bild über die ersten beiden Elemente unseres digitalen Geschäftsmodells, welche Produkte oder Dienstleistungen biete ich meinen Kunden an. Der Value Proposition Canvas stellt eine Möglichkeit dar, zu einer Geschäftsmodellinnovation zu kommen, indem wir ein neues Kundenbedürfnis herausarbeiten und entdecken. Bei unserem Beispiel könnten dies neue Stecker sein, die es ermöglichen, ohne das Bohren und Verwenden einer Schraube Komponenten zu verbinden.
Versteh, wie das Wertversprechen hergestellt wird
Um den Kunden unser Produkt oder Dienstleistung an zu bieten, ist es notwendig zu wissen wie wir vom Problem zur Lösung kommen. Das Aufzeichnen dieser einzelnen Schritte wird als Mapping bezeichnet. Für die Entwicklung eines digitalen Geschäftsmodell kann eine Digital Touchpoint-Map helfen. Hier werden alle digitalen Interaktionen (Touchpoints) mit dem Produkt oder der Dienstleistung dargestellt. Es ist ein praktischer und effizienter Weg, um die gesamte Reise zu sehen, einschließlich dessen, was verbessert werden muss und was gut funktioniert hat.
Tipp: Brainstorm an welche Prozessschritte digital abgebildet werden können. Auf diesen Weg kann eine Prozessinnovation entstehen.
Ideenfindung kann einfach sein: Inspiration mit dem Business Model Navigator
Ein Unternehmer kennt seine Produkte besser als kein anderer. Dadurch kann es schwerfallen, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Prof. Dr. Grassmann und sein Team haben am Institut Technology Management der Universität St. Gallen herausgefunden, dass 90% aller Geschäftsmodellinnovationen bestehende Ideen von anderen Industrien kombinieren. Dabei lassen sich die Geschäftsmodell Logiken auf 55 Muster herunterbrechen [2]. Eine weitere zentrale Erkenntnis aus der Forschung basiert darauf, dass sich neue Geschäftsmodelle über kreative Imitation und Rekombination erfolgreich entwickeln lassen [2]. Wie es trotz gleicher Geschäftsmodell Logik zu immer neuen Innovationen kommen kann, zeigt folgendes Beispiel.
Subskription
Kaum mehr vom Markt wegzudenken, zahlt beim Muster Subskription der Kunde regelmäßig eine Gebühr in monatlicher oder jährlicher Form. Dadurch erhält er Zugang zu einem Produkt oder einer Dienstleistung. 1999 führte das Salesforce als erstes Unternehmen Software zur Miete über das Internet ein, anstelle von Lizenzvergabe. Netflix übernahm dieselbe Geschäftsmodell Logik für Ihren Online Streaming Dienst und revolutionierte den Videomarkt. Auch in unserem Beispiel aus der Musikbranche bediente sich Spotify 2006 demselben Prinzip und verändert unser Verhalten, wie wir Musik konsumieren.
Nach demselben Prinzip kann auch dir der Business Model Navigator zur Inspiration für neue Geschäftsmodell Logiken dienen.
Tipp: Screen die verschiedenen Muster des Business Modell Navigator und überlege dir dabei, ob ein Muster sich auf das Lösen deines Kundenbedürfnisses, dem Lösungsweg und der Art und Weise, wie Profit gemacht wird, anwenden lässt. Unser Template (Verlinkung) und Post-It helfen dir, deine Ideen festzuhalten.
Der Business Model Canvas: Unser Cockpit
Der Business Model Canvas von Alex Osterwalder und Yves Pigneur fasst alle Elemente des Geschäftsmodells auf einer Seite zusammen, einschließlich Kundensegmenten, Wertangebot, Infrastruktur, Kundenbeziehungen, Finanzierung und mehr [3]. Der Canvas ermöglicht dir als Unternehmer alle deine bisherigen Gedanken zu deiner neuen Geschäftsmodellinnovation zu strukturieren und Hypothesen aufzustellen. Es ist ein einfaches Werkzeug schnell und übersichtlich zu sehen, ob und wie ich eine neue Geschäftsmodell-Innovation umsetzen kann.
Tipp: Starte auf der rechten Seite und übertrage deine gesammelten Infos aus der Value Proposition und deinem Mapping Prozess. Eine übersichtliche Anleitung zum Business Modell Canvas findest du hier (Verlinkung YouTube Video)
Key Takeaway: Wie bringe ich die PS auf die Straße?
- Identifiziere deine Zielgruppe (Wer?) Werkzeug: Persona
- Identifiziere dein Kundenproblem (Was?) und dein Produkt/Dienstleistung, die das Problem löst. Werkzeug: Value Proposition
- Verstehe, wie du/dein Kunde zu deiner Lösung kommt (Wie?) Werkzeug: Mapping
- Lege fest, wie du Profit machst (Warum?) Werkzeug: Business Model Pattern und Ideation Canvas
- Überlege dir, welche neuen Technologien, Punkt 2/3/4 verändern könnten und neue Logiken schaffen.
- Verschaff dir einen Überblick, ob und wie du deine neue Idee umsetzen kannst: Werkzeug: Business Modell Canvas
- Überprüfe deine Hypothesen
The bottom line
Ein Unternehmen ist ein Ökosystem, das einen Plan haben muss, an wen es verkauft, was es verkauft, was es verlangt und welchen Wert es schafft. Das gilt auch für ein digitales Geschäftsmodell. Mithilfe der Werkzeuge von Value Proposition, Value Mapping, Business Model Navigator und Business Model Canvas kannst du in kurzer Zeit zu Geschäftsmodellinnovationen kommen und deine Hypothesen überprüfen.
References
[1] Christensen, C., Rynor, M., and McDonald, R. 2015. What Is Disruptive Innovation? Twenty years after the introduction of the theory, we revisit what it does—and doesn’t—explain. https://hbr.org/2015/12/what-is-disruptive-innovation. Accessed 19 January 2023.
[2] Gassmann, O., Frankenberger, K., and Choudury, M. 2020. The Business Model Navigator: 55+ Models that Will Revolutionise Your Business. Pearson.
[3] Osterwalder, A. and Pigneur, Y. 2010. Business model generation. A handbook for visionaries, game changers, and challengers. Wiley, Hoboken, N.J.
[4] Rajah, R. B., Fauconberg, A. de, and Woeffray, O. 2021. Future Readiness of SMEs. Mobilizing the SME Sector to Drive Widespread Sustainability and Prosperity. World Economic Forum., Cologny/Geneva.
[5] Wrigley, C. and Straker, K. 2016. Designing innovative business models with a framework that promotes experimentation. Strategy & Leadership 44, 1, 11–19.
[6] Zott, C., Amit, R., and Massa, L. 2011. The Business Model: Recent Developments and Future Research. Journal of Management 37, 4, 1019–1042.
Credits:
Erstellt mit Bildern von Radoslaw Maciejewski - "A needle on a turntable that plays music" • womue - "Audiokassetten" • Kaspars Grinvalds - "Man watching videos online on tablet"